Altenbericht: Wissenschaftler warnen vor wachsender Ungleichheit
Welche Möglichkeiten Menschen im Alter noch haben, hängt davon ab, wie fit und wie abgesichert sie sind - und wo sie leben, sagt der neue Altenbericht. Die Wissenschaftler warnen vor wachsender Ungleichheit und fordern lokale Lösungen.
02.11.2016
epd
Von Bettina Markmeyer (epd)

Berlin (epd). Die wachsende soziale und regionale Ungleichheit wird zur zentralen Herausforderung für die Altenpolitik. Zu diesem Ergebnis kommt der 7. Altenbericht im Auftrag der Bundesregierung, den das Bundeskabinett am Mittwoch in Berlin beraten hat. Die Ministerrunde beschloss die Stellungnahme der Bundesregierung zu dem Bericht. Er soll in der kommenden Woche vom Bundestag veröffentlicht werden.

Zwischen 1990 und 2014 hat sich die Zahl der über 65-Jährigen um rund 5,2 Millionen auf 17,1 Millionen erhöht. Das entspricht einer Steigerung um 43 Prozent, während die Gesamtbevölkerung nur um knapp zwei Prozent wuchs. Während heute jeder Vierte über 60 sei, wird es im Jahr 2050 schon jeder Dritte sein.

Beste Lösungen finden

Mit Blick auf die Lebenssituation der Älteren gehen die Autoren von erheblichen regionalen Unterschieden aus. In Sachsen etwa ist heute schon ein Viertel der Bevölkerung älter als 65, in den Ballungsgebieten und prosperierenden bayerischen Landkreisen hingegen weniger als 18 Prozent. Während heute große Teile der älteren Bevölkerung noch über ausreichende finanzielle, gesundheitliche und soziale Ressourcen verfügten, rechnen die Wissenschaftler für die Zukunft mit wachsender Altersarmut und entsprechend weniger Möglichkeiten, das eigene Alter zu gestalten.

Bund, Länder und Kommunen müssten den negativen Auswirkungen der sozialen und regionalen Ungleichheit gezielt entgegenwirken, fordern sie. Gerade in strukturschwachen Regionen dürfe sich der Staat nicht zurückziehen. Die Versorgung in wirtschaftlich schwachen Regionen hänge davon ab, ob die verbliebenen Akteure vor Ort zusammenarbeiten und die Eigeninitiative örtlicher Gruppen, Verbände und ehrenamtlich tätiger Bürger gefördert werde.

Die Wissenschaftler empfehlen, den Kommunen mehr Handlungsspielraum zu geben, um lokal jeweils die besten Lösungen zu finden. So müssten sie beispielsweise mitbestimmen bei der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung, die bisher in der Hand der Ärzteverbände liegt. Es reiche auch nicht, nur ein Minimalangebot in den für ältere Menschen zentralen Bereichen Gesundheit, Pflege und Wohnen aufrecht zu erhalten.

Empfehlungen geben

Bundesfamilien- und seniorenministerin Manuela Schwesig (SPD), erklärte: "Abgehängte Orte führen auch zu abgehängten Leben von älteren Menschen, und deshalb ist es in Zukunft wichtig, dass wir Kommunen finanziell so ausstatten und das wir Strukturen vor Ort haben, dass auch das Leben im Alter lebenswert ist." Das Leben im Alter entscheide sich vor Ort. Genauso wie eine Planung für Kitas und Schulen brauchten die Kommunen eine Planung für ältere Menschen. Es müsse in den kommenden Jahren darüber gesprochen werden, ob sich der Bund dafür finanziell engagieren müsse.

Die Regierung legt seit 1994 in jeder Legislaturperiode einen Bericht zur Lebenssituation von älteren Menschen vor. Bisher ging es unter anderem um Wohnen im Alter, um die Versorgung Hochbetagter oder um den Beitrag älterer Menschen in Wirtschaft und Gesellschaft. Die siebte Altenberichtskommission unter Leitung des Heidelberger Gerontologen Andreas Kruse hatte den Auftrag, Empfehlungen für eine nachhaltige Seniorenpolitik in den Kommunen zu erarbeiten.