"Ärzte ohne Grenzen": Assad-Regime greift gezielt Krankenhäuser an
Die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" wirft der Assad-Regierung in Syrien gezielte Angriffe auf Kliniken vor. "Es gibt den Willen, bestimmte Krankenhäuser zu treffen", sagte der Generaldirektor der Schweizer Sektion von "Ärzte ohne Grenzen", Bruno Jochum, dem Evangelischen Pressedienst (epd).
01.11.2016
epd
epd-Gespräch: Jan Dirk Herbermann

Genf (epd). Der Beschuss von Hospitälern und Ambulanzen in Rebellengebieten sei Teil der Kriegsstrategie von Assad und seinen Getreuen.

Der 48-jährige Franzose Jochum ist bei "Ärzte ohne Grenzen International" für die Reaktion auf Angriffe auf Krankenhäuser zuständig. "Generell werden die meisten Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen von staatlichen Stellen befohlen und von den regulären Streitkräften ausgeführt", erläuterte der Politologe.

Aktive Hilfe für den Feind

Wenn Staaten Krieg gegen den Terrorismus führten, werde der Gegner kriminalisiert: "Die Staaten brandmarken ihre Gegner als Terroristen, die vernichtet werden müssten, und rechtfertigen damit eine Kriegsführung, die außerhalb des Völkerrechts stattfindet." Die Staaten verweigerten den Gegnern den Schutz, den sie unter bestimmten Umständen aufgrund der Genfer Konventionen geben müssten. Es herrsche die Auffassung, dass medizinischer Beistand aktive Hilfe für den Feind sei, und diese aktive Hilfe müsse mit allen Mitteln unterbunden werden.

Jochum beklagte eine zunehmende Skrupellosigkeit: "Der Respekt für die Genfer Konventionen, nach denen Krankenhäuser in Konflikten nicht angegriffen werden dürfen, zerbröselt mehr und mehr." In Syrien und im Jemen seien allein von Januar bis September 2016 schon 18 medizinische Einrichtungen, die von "Ärzte ohne Grenzen" betrieben oder unterstützt werden, Ziel von Angriffen gewesen.

Keine Sicherheit für Mitarbeiter

Als weiteren Brennpunkt nannte Jochum Afghanistan. Vor einem Jahr zerstörten US-Jets ein Krankenhaus der Organistaion in Kundus. Jochum zufolge haben die Amerikaner das Trauma-Krankenhaus absichtlich angegriffen. Der Beschuss, bei dem 42 Menschen starben, sei die schlimmste Attacke auf "Ärzte ohne Grenzen" gewesen.

Am Beispiel Kundus machte Jochum die verheerenden Folgen der Angriffe deutlich: "In dem Krankenhaus von Kundus hatten wir 15.000 chirurgische Operationen pro Jahr. Kriegsverletzte, aber auch Menschen mit anderen Verletzungen, zum Beispiel aus dem Straßenverkehr, wurden dort operiert." Seit dem Angriff könne man dies in dem Gebiet mit mehr als einer Million Menschen nicht mehr anbieten. "Ärzte ohne Grenzen" werde bis auf weiteres nicht nach Kundus zurückkehren. "Wir haben keine ausreichenden Sicherheitsgarantien durch die Konfliktparteien in Afghanistan", betonte Jochum.