Die neue Lutherbibel ist am Sonntag bei einem Festgottesdienst in Eisenach offiziell den Kirchengemeinden in Deutschland übergeben worden. Die Reformationsbotschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, erklärte in ihrer Predigt, die Geschichten der Bibel seien ein bedeutendes Kulturgut, über das auch Nicht-Christen eine Ahnung haben müssten. Das Erscheinen der überarbeiteten Fassung ist einer der Höhepunkte zu Beginn des 500. Reformationsjubiläums. Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm erklärte in einem SWR-Interview, die Jubiläumsfeiern stellten auch ein politisches Signal für gesellschaftlichen Zusammenhalt dar: Die Schwachen dürften "nicht auf der Strecke bleiben", das habe bereits der Reformator Martin Luther gesagt.
Das Festjahr beginnt am Montag, dem diesjährigen Reformationstag, und dauert bis zum 31. Oktober 2017. Am 31. Oktober 1517 hatte Martin Luther seine 95 Thesen gegen die Missstände der Kirche seiner Zeit veröffentlicht und damit die Reformation angestoßen.
70 Experten hatten in den vergangenen Jahren die Genauigkeit der Übersetzung des Bibeltextes geprüft. Fast 12.000 der rund 31.000 Verse wurden in der Neufassung geändert. Auf die Wörter gerechnet sind das allerdings lediglich acht Prozent.
Käßmann rief dazu auf, gemeinsam über die Bibel ins Gespräch zu kommen. Es sei "nicht nur eine Frage des Glaubens, sondern auch eine Frage der Bildung, ob Menschen diese Geschichten kennen". Weiter betonte die EKD-Reformationsbotschafterin: "Gegen jede Art von Fundamentalismus ist es wichtig, dass wir die Bücher, die uns heilig sind - in dem Sinne, dass sie für unseren Glauben fundamentale Bedeutung haben - kritisch lesen dürfen." Genau das hätten die Reformatoren gezeigt. "Bildung war für sie alle wichtig. Deshalb gilt es, die Bibel auch miteinander zu lesen, nicht nur allein", sagte Käßmann.
Der EKD-Ratsvorsitzende Bedford-Strohm hob im SWR-"Interview der Woche" hervor, dass die Wirtschaftsethik Martin Luthers hochaktuell sei. Es gehe um die Frage, ob die Wirtschaft allein das Bruttosozialprodukt steigern oder auch den Schwachen dienen solle. Verantwortliches Wirtschaften müsse auch geprägt sein "von der biblischen Option für die Armen". Luther habe sich sehr deutlich dagegen gewehrt, dass "die Armen unter die Räder kommen".
58 Prozent halten die evangelische Kirche für zeitgemäß
Mit Blick auf den aktuellen Titel des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel", auf dem Luther als "erster Wutbürger" bezeichnet wird, sagte Bedford-Strohm, Luther sei in der Tat ein sehr authentischer und leidenschaftlicher Mensch gewesen. "Aber Wutbürger passt ganz bestimmt nicht", betonte er am Samstag im Deutschlandfunk. Luther habe von der Freiheit eines Christenmenschen gesprochen. Ihm sei es um die Liebe Gottes gegangen, die er auch den Mächtigen entgegengesetzt habe. Zudem habe sich der Reformator immer für die Schwachen und Armen eingesetzt. Das passe nicht zu "Pegida".
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will das Jubiläumsjahr nutzen, um sich "intensiver mit der Reformation zu beschäftigen". In ihrem wöchentlichen Video-Podcast sagte die Kanzlerin: "Obwohl ich aus einem evangelischen Pfarrhaus stamme, gibt es immer wieder neue Einsichten." Es werde ihr immer bewusster, dass das Verständnis der eigenen Geschichte und Kultur eine unabdingbare Voraussetzung sei, auch in Zeiten der Globalisierung eigene Standpunkte, Werte und Überzeugungen darstellen zu können, fügte sie hinzu.
Die Mehrheit der Deutschen (54 Prozent) indes hält den Einfluss christlicher Werte auf die deutsche Gesellschaft für gering. Fünf Prozent meinen sogar, diese Werte spielten überhaupt keine Rolle, wie aus einer Emnid-Umfrage für "Bild am Sonntag" hervorgeht. Dagegen glauben 36 Prozent, dass Deutschland stark bis sehr stark von christlichen Überzeugungen geprägt ist. Die evangelische Kirche halten 58 Prozent der Deutschen für zeitgemäß, wie die Erhebung aus Anlass des 500. Reformationsjubiläums ergab. Nur 31 Prozent glauben, dass die katholische Kirche auf der Höhe der Zeit ist.