Karlsruhe, Berlin (epd). Er gab am Donnerstag in Karlsruhe drei Müttern aus Leipzig recht, die die Stadt auf Ersatz ihres Verdienstausfalls verklagt hatten, weil sie keinen Kita-Platz für ihre einjährigen Kinder bekommen hatten. Kommunen seien verpflichtet, "eine ausreichende Zahl von Betreuungsplätzen selbst zu schaffen oder durch geeignete Dritte - freie Träger der Jugendhilfe oder Tagespflegepersonen - bereitzustellen". (AZ: III ZR 278/15, 302/15 und 303/15)
In ersten Reaktionen begrüßten Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) und die Grünen das Urteil. Der Städte- und Gemeindebund rechnet nicht mit einer Klagewelle. Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg erklärte nach dem Urteilspruch, die Städte müssten allerdings so exakt wie möglich planen und möglichst einvernehmliche Lösungen mit den Eltern finden. Dazu könne auch gehören, ihnen Ersatzplätze in anderen Stadtteilen oder bei einer Tagesmutter anzubieten.
Wie hoch ist der Schaden für die Frauen?
Die Klägerinnen aus Leipzig wollten jeweils nach Ablauf der einjährigen Elternzeit wieder Vollzeit arbeiten. Deshalb meldeten sie für ihre Kinder wenige Monate nach der Geburt bei der Stadt Leipzig den Bedarf für einen Betreuungsplatz für die Zeit nach dem ersten Geburtstag der Kinder an. Zum gewünschten Termin erhielten die Frauen jedoch keinen Betreuungsplatz und klagten auf Ersatz des Verdienstausfalls, der ihnen entstanden sei.
Während das Landgericht Leipzig den Müttern recht gegeben hatte, waren sie nach einer Berufung durch die Stadt vor dem Oberlandesgericht Dresden unterlegen. Der Bundesgerichtshof hob die Urteile nun auf und verwies die Verfahren zurück nach Dresden.
Städte und Gemeinden sind seit dem 1. August 2013 gesetzlich verpflichtet, Kindern zwischen einem und drei Jahren einen Platz in einer Tageseinrichtung oder in einer Kindertagespflege anzubieten. Der Bundesgerichtshof urteilte, die Stadt Leipzig habe ihre Amtspflichten verletzt. Die Kommune hätte eine ausreichende Zahl an Betreuungsplätzen bereithalten müssen. Die Stadt könne sich nicht darauf berufen, dass die Kapazität an Kita-Plätzen begrenzt sei. Wenn es zu wenige seien, sei sie verpflichtet, weitere Plätze zu schaffen. Eine Verletzung dieser Amtspflicht könne dazu führen, dass die Stadt für Verdienstausfälle der Eltern aufkommen muss, urteilte der Bundesgerichtshof.
Das Oberlandesgericht Dresden soll nun klären, wie schwer die Amtspflichtverletzung der Stadt wiegt und wie hoch der Schaden für die Frauen zu beziffern ist. Es geht um Forderungen zwischen 2.200 und 7.350 Euro.
"Urteil mit Signalwirkung"
Der Gesetzgeber habe mit den gesetzlich garantierten Kita-Plätzen nicht nur die Betreuung der Kleinkinder sicherstellen, sondern auch die Eltern entlasten und die Fortsetzung ihrer Berufstätigkeit ermöglichen wollen, argumentierten die Richter. Ziel sei die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsleben.
Die Stadt muss allerdings nur zahlen, wenn das Fehlen der Kita-Plätze selbst zu verschulden hat. Auch das soll das Oberlandesgericht Dresden nun noch einmal prüfen. Der Hinweis auf knappe Haushaltsmittel sei aber noch kein Grund, keine neuen Kitas zu bauen, betonten die Karlsruher Richter. Die Kommune müsse nach dem Willen des Gesetzgebers "für eine ausreichende Anzahl an Betreuungsplätzen grundsätzlich uneingeschränkt einstehen".
Bundesfamilienministerin Schwesig erklärte nach dem Urteil, für Eltern habe die Kinderbetreuung einen zentralen Stellenwert. Deshalb sei es gut, dass sie einen Rechtsanspruch darauf haben. Die familienpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Franziska Brantner, sprach von einem Urteil mit Signalwirkung. Der Bundesgerichtshof rufe in Erinnerung, dass es vielerorts immer noch nicht genügend Betreuungsplätze gebe.