Luxemburg, Berlin (epd). Ein EU-Urteil aus Luxemburg hat in Deutschland eine Diskussion über Versandapotheken und Medikamentenpreise entfacht. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied am Mittwoch, dass die deutsche Preisbindung für rezeptpflichtige Medikamente gegen das EU-Recht verstößt. (AZ: C-148/15) Der konkrete Fall betraf ein Bonussystem, das die Selbsthilfeorganisation "Deutsche Parkinson Vereinigung" mit der niederländischen Versandapotheke DocMorris ausgehandelt hatte.
Während aus der Union umgehend ein Versandhandelsverbot ins Gespräch gebracht wurde, hält SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach eine höhere Vergütung der Beratung in Apotheken für möglich. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) versprach, die flächendeckende Arzneimittelversorgung durch Apotheken vor Ort sichern zu wollen.
Bundesgesundheitsministerium will Urteil prüfen
Die Zentrale zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs hatte gegen einen bestimmten Aspekt der Bonusregelung für die Selbstshilfeorganisation geklagt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf wandte sich mit dem Fall an den EuGH. Dieser urteilte nun, dass der einheitliche Preis den freien Warenverkehr innerhalb der EU behindere. Was der Fall über DocMorris hinaus bedeutet, ist noch weitgehend unklar. "Die Konsequenzen aus dem Urteil muss jetzt zunächst das OLG Düsseldorf ziehen, sowie gegebenenfalls der Gesetzgeber", erklärte ein Sprecher des EuGH auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd).
Das Bundesgesundheitsministerium will das Urteil prüfen. Auch dort wollte man nicht darüber spekulieren, ob die Preisbindung für verschreibungspflichtige Medikamente in Deutschland nun generell abgeschafft werden müsse. Konsequenzen aus dem Urteil sieht das Ministerium bislang nur für ausländische Versandapotheken: "Die deutsche Regelung zum einheitlichen Apothekenabgabepreis bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist damit auf Versandapotheken mit Sitz im EU-Ausland nicht mehr anwendbar", erklärte das Ministerium. Gröhe betonte, "bewährte Strukturen" müssten erhalten bleiben. "Der Versandhandel kann die wohnortnahe Versorgung durch Präsenzapotheken nicht ersetzen."
Konkreter wurde die Unions-Bundestagsfraktion, die ein "Versandhandelsverbot für deutsche Arzneimittel" in die Diskussion brachte. "Für die inhabergeführten Apotheken dürfen in Deutschland aufgrund des Urteils keine Wettbewerbsnachteile entstehen", begründete die gesundheitspolitische Sprecherin, Maria Michalk (CDU), ihren Vorstoß.
Urteil biete Vorteile
Die Grünen im Bundestag forderten die Bundesregierung auf, "umgehend ihren Plan B auf den Tisch zu legen, der auch in Zukunft eine qualitativ hochwertige und bezahlbare Versorgung der Patienten mit Arzneimitteln sicherstellt".
SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach erklärte, das Urteil berge für den Verbraucher einerseits mögliche Vorteile. "Die Preise für rezeptpflichtige Medikamente werden vor allem bei Online-Versandapotheken sinken." Zugleich bestehe die Gefahr, "dass bei einem harten Preiskampf kleine Apotheken nicht mithalten können und schließen müssen". Gesetzesänderungen seien nötig, forderte Lauterbach. "Denkbar wäre es beispielsweise, Apothekern die Beratungsleistung besser zu vergüten." Dass der einzelne Patient dies zahlt, ist laut SPD-Fraktionspressestelle damit aber nicht gemeint.
Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) zeigte sich über das Urteil "entsetzt". "Es kann nicht sein, dass ungezügelte Marktkräfte über den Verbraucherschutz im Gesundheitswesen triumphieren", erklärte ABDA-Präsident Friedemann Schmidt. Auch er hält ein Versandhandelsverbot für denkbar.