Brüssel, Berlin (epd). Auch in den vergangenen Jahren hatte der Anteil EU-weit stets zwischen 23 und 25 Prozent betragen. In Deutschland waren es 2015 den Angaben zufolge 20 Prozent. Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) verwies auf zahlreiche Maßnahmen der Regierung, Armut zu bekämpfen: "Mit dem Mindestlohn, dem ElterngeldPlus und dem Kita-Ausbau haben wir hier wichtige Schritte gemacht."
Die Statistik der EU orientiert sich an drei Kriterien: Risiko der Einkommensarmut, Fehlen materieller Güter und geringe Arbeitsintensität. Derjenige, auf den eine oder mehrere Kriterien zutreffen, gilt als der Gefahr der Armut oder der sozialen Ausgrenzung ausgesetzt. Wer tatsächlich arm, einkommensarm und sozial ausgegrenzt ist, darauf legt sich die Statistik nicht fest.
Neun Indikatoren bestimmen Armut
Das Risiko der Einkommensarmut wird am Durchschnittseinkommen des jeweiligen Landes festgemacht; wer einkommensarmutsgefährdet ist, liegt mitsamt seinen Sozialleistungen unterhalb von 60 Prozent des jährlichen Durchschnittseinkommens. In Deutschland lag die Schwelle 2015 laut Eurostat bei 12.401 Euro für einen allein lebenden Erwachsenen. 16,7 Prozent der Einwohner waren demnach einkommensarmutsgefährdet, gegenüber 17,3 Prozent im EU-Durchschnitt.
Das Fehlen materieller Güter wird an neun Indikatoren gemessen, mindestens vier müssen erfüllt sein. Darunter fällt etwa, dass jemand die Miete nicht pünktlich zahlen, nicht ausreichend heizen kann oder keinen Farbfernseher besitzt. Geringe Arbeitsintensität bedeutet, dass die Erwachsenen in einem Haushalt im zurückliegenden Jahr weniger als 20 Prozent ihrer möglichen Arbeitszeit auch wirklich gearbeitet haben; Studenten sind ausgenommen.
Die Nationale Armutskonferenz warf der Politik vor, nicht zu handeln. Im Aufruf "Keine Ausreden mehr: Armut von Kindern und Jugendlichen endlich bekämpfen!" formuliert das Bündnis von Sozialverbänden Forderungen, die in die Programmdebatte der Parteien zur Bundestagswahl einfließen sollen.
Zusatzleistungen einfacher gestalten
Demnach sind drei Schritte gegen Kinderarmut nötig. Das Existenzminimum von Kindern müsse realistisch ermittelt werden. Ungerechtigkeiten in der Familienförderung müssen demnach rasch abgebaut werden, und Leistungen müssten einfacher gestaltet und leichter zugänglich sein.
Die Diakonie Hessen forderte mehr Geld für Hartz-IV-Bezieher. "Die ab Januar 2017 geplante Erhöhung des Hartz IV-Regelsatzes reicht bei weitem nicht aus", sagte Horst Rühl, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Hessen. "Der Satz muss um mindestens 70 Euro auf 480 Euro für einen Einzelhaushalt erhöht werden, um ein Mindestmaß dessen zu sichern, was für ein menschenwürdiges Leben nötig ist."