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TV-Tipp: "Polizeiruf 110: Im Schatten" (ARD)
16.10., ARD, 20.15 Uhr: "Polizeiruf 110: Im Schatten"
Ein Drogenkurier soll für die Polizei arbeiten, aber dann sind der Kurier und der Einsatzleiter tot. Die Verstrickung der Personen wird immer verworrener und die Hauptfrage ist: Wer ist gut, wer ist böse?

Philipp Leinemann ist vor zwei Jahren mit dem Thriller "Wir waren Könige" nicht nur ein bemerkenswertes Regiedebüt, sondern auch einer der besten deutschen Polizeifilme der letzten zwanzig Jahre gelungen. Es folgte der im Auftrag der Degeto entstandene Spitzelfilm "Die Informantin" (Frühjahr 2016), ebenfalls ein Thriller auf hohem Niveau. Nun kehrt Leinemann zu seinem Debütthema zurück: In seinem "Polizeiruf"-Krimi "Im Schatten" geht es zwar auch um eine Mördersuche, aber im Vordergrund steht das mitunter eher unsoziale Miteinander der Ermittler. Das Drehbuch stammt von Florian Oeller, der für das Team aus Rostock schon die Fälle "Sturm im Kopf" und "Fischerkrieg" geschrieben hat; von ihm war auch der ebenfalls im NDR-Auftrag entstandene letzte "Tatort" mit Wotan Wilke Möhring, "Zorn Gottes". Diesmal hat Oeller ein Szenario entworfen, das für einen ähnlichen horizontalen Handlungsstrang taugen würde wie die ersten Filme mit Bukow und König (Charly Hübner, Anneke Kim Sarnau), denn das Duo legt sich mit der kalabrischen Mafia an, der ’Ndrangheta, die den Rostocker Hafen als Umschlagplatz nutzt, um ganz Skandinavien mit Drogen zu versorgen. Der Film beginnt mit einem aufwändigem Einsatz von Polizei und Zoll: Ein Kurier soll verhaftet und nach Möglichkeit "umgedreht" werden, doch der Mann nimmt ein kleines Mädchen als Geisel und wird von einer Zollfahnderin erschossen. Als tags drauf die Leiche des Einsatzleiters gefunden wird, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder war der Mörder ein Killer der Mafia; oder jemand aus den eigenen Reihen.

Die Suche nach dem Täter ist das Motiv der Handlung, aber Leinemann verzichtet auf die übliche Krimispannung. Der Auftakt ist packend inszeniert; Nervenkitzel gibt es jedoch erst wieder zum Finale. Das große Dazwischen ist klassische Polizeiarbeit, die ihren Reiz darauf bezieht, dass ab einem bestimmten Punkt fast so etwas wie Feindschaft zwischen den Ermittlern herrscht. Die alten Geschichten handelt Leinemann angenehm beiläufig ab: Bukow und Pöschel (Andreas Guenther) können sich ohnehin nicht leiden; Bukow und Thiesler (Josef Heynert) verbindet eine herzliche Abneigung, seit der Kollege eine Affäre mit Bukows Frau hatte; und als sich dann noch rausstellt, dass sich König für einen Posten in Berlin beworben hat, ist die Vertrauensbasis endgültig zerstört. Ähnlich souverän integrieren Buch und Regie Bukows private Probleme: Seit der Trennung von seiner Frau ist er durch den Wind, zumal auch die Beziehung zu seinen Söhnen leidet. Dass sein Vater Veit (Klaus Manchen) eine bevorstehende Operation womöglich nicht überleben wird, kommt noch hinzu. Veits Klub (der auch so heißt) ist zudem ein beliebter Treffpunkt für Dealer und ihre Kunden. Auf diese Weise kommt Bukow den Drahtziehern auf die Spur, und zur Verblüffung der Ermittler mischt auch ein Verbrecher namens Lewandowski (Gerdy Zint) wieder mit, der Katrin König vor einigen Jahren ("Einer trage des anderen Last") lebensgefährlich verletzt hat.

Interessante neue Gesichter

Mindestens genauso wichtig für die Geschichte und ähnlich unübersichtlich sind die internen Ermittlungen, zumal sich rausstellt, dass die ehrgeizige Kollegin vom Zoll, die eingangs den Drogenkurier erschossen hat, auch persönlich involviert ist: Jana Zander (Elisabeth Baulitz) ist die Pflegetochter des ermordeten Einsatzleiters. Der wiederum hatte offenbar dunkle Nebengeschäfte laufen, um die teuren Medikamente für seine krebskranke Frau (Kirsten Block) bezahlen zu können; das würde auch erklären, warum die Mafia stets so gut über bevorstehende Razzien informiert war.

Die personellen Konstellationen machen die große Faszination dieses "Polizeirufs" aus; und Leinemanns Arbeit mit den Schauspielern, die ihm offenkundig wichtiger war als die Erfüllung von Erwartungen. Auch kleine Nebenrollen sind ausgesprochen sorgfältig und mit interessanten neuen Gesichtern besetzt worden. Handwerklich ist "Im Schatten" zudem ein Leckerbissen; das gilt vor allem für die Bildgestaltung von Jan Fehse. Der düstere Spätherbst und vor allem die nächtlichen Nebelbilder sind die perfekte Illustration für die Atmosphäre dieses von gegenseitigem Misstrauen bis hin zu offener Feindseligkeit geprägten Films, in dem es mit Ausnahme eines Momentes zu Beginn, als Bukow und König feuchtfröhlich den erfolgreichen Einsatz feiern und sich beinahe näherkommen, kaum freudvolle Momente gibt. Dafür zeigen Hübner und Sarnau in einigen vorzüglich gespielten Szenen, wie gut sie als Duo funktionieren. Ein Kleinod ist die eigenwillige Vernehmung Lewandowskis, der dabei jedoch komplett ignoriert wird, weil Bukow und König nur miteinander plaudern. Am Ende aber ist Bukow so richtig kaputt, was prompt die Neugier weckt, wie es weitergeht.