Tod von Al-Bakr setzt sächsische Justiz unter Druck
Der Suizid des Terrorverdächtigen Dschaber al-Bakr in der JVA Leipzig bringt die sächsischen Justizbehörden in Erklärungsnot. Parteiübergreifend löst der Suizid Entsetzen und Fassungslosigkeit aus.

Leipzig/Dresden (epd). Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) forderte am Donnerstag eine rasche Aufklärung der Vorgänge. Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, äußerte sich fassungslos. Auch Politiker von SPD, Linken und Grünen auf Bundes- und Landesebene äußerten Empörung und Unverständnis und wiesen der sächsischen Landesregierung die politische Verantwortung zu. Der in der Nacht zum Montag wegen Terrorverdachts festgenommene Dschaber Al-Bakr hatte sich am Mittwochabend in seiner Gefängniszelle erhängt.

Fragen zu seinen mutmaßlichen Terrorplänen und möglichen Hintermännern bleiben damit vermutlich offen. Al-Bakr, der in Chemnitz lebte, war in der Nacht zu Montag in Leipzig festgenommen worden, nachdem Landsleute ihn in ihrer Wohnung überwältigt und die Polizei verständigt hatten. Er soll nach Erkenntnissen der Behörden einen Anschlag vorbereitet haben.

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) wies "pauschale Kritik an der sächsischen Justiz" zurück. "Die Vorgänge in der JVA Leipzig müssen und werden von den zuständigen Behörden umfassend aufgeklärt", sagte er in Dresden. Er vertraue "voll und ganz" Justizminister Sebastian Gemkow (CDU), dass er alles dafür tun werde.

Justizminister: Keine Hinweise auf Suizidgefahr

Nach Gemkows Worten hatten die Behörden keine Hinweise auf eine Suizidgefahr des Terrorverdächtigen. "Das hätte nicht passieren dürfen", räumte er am Donnerstag in einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz ein. Die Prognosen beteiligter Fachleute, dass keine akute Selbstmordgefahr bestehe, hätten sich nicht bestätigt. Gemkow sagte, er übernehme "qua meines Amtes" die politische Verantwortung. Für einen Rücktritt gebe es aber keine Veranlassung.

Dass sich Al-Bakr mit seinem Hemd an einem Gitter in seiner Zelle aufgehängt habe, war nach Angaben der Behörden am Mittwochabend gegen 19.45 Uhr von einer JVA-Bediensteten festgestellt worden. Eine Reanimierung sei nicht mehr erfolgreich gewesen. Gegen 20.15 Uhr wurde von einer Notärztin der Tod festgestellt.

Nach den Worten des Leiters der Justizvollzugsanstalt Leipzig, Rolf Jakob, wurde die Zelle alle 30 Minuten kontrolliert. Die letzte reguläre Kontrolle hatte 15 Minuten vor dem Auffinden des strangulierten Mannes stattgefunden. Seit Al-Bakr am Montag in die JVA gekommen sei, habe er unter anderem eine Deckenlampe zerstört und eine Steckdose manipuliert. Dies sei aber nicht als Suizidgefährdung, sondern als Vandalismus angesehen worden.

Grüne: Versagen der Behörden

Al-Bakrs Pflichtverteidiger Alexander Hübner zeigte sich fassungslos über den Suizid seines Mandanten. Er sei davon ausgegangen, dass dieser ständig beobachtet werde, sagte der Rechtsanwalt im Deutschlandfunk. Al-Bakr habe sich im Hungerstreik befunden und Flüssigkeit verweigert.

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sprach von einem "erneuten Versagen" der sächsischen Justiz- und Sicherheitsbehörden. "Das muss Konsequenzen haben", fügte sie hinzu. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann nannte den Fall eine beispiellose Aneinanderreihung von Polizei- und Justizversagen. CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach sagte der Tageszeitung "Die Welt", im Falle Al-Bakrs wäre eine ständige Sitzwache notwendig gewesen.

Auch Vertreter des sächsischen Landtages stellten die Frage nach Konsequenzen des Vorfalls. Der innenpolitische Sprecher der Grünen im Sächsischen Landtag, Valentin Lippmann, sagte, der Landesjustizminister müsse die Verantwortung übernehmen. Der sächsische Linken-Fraktionsvorsitzende Rico Gebhardt wies Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) die politische Verantwortung zu. Im Landtag soll es am Dienstag eine gemeinsame Sitzung von Innen- sowie Verfassungs- und Rechtsausschuss zum Thema geben.