Bundesländer: Ehepartner soll im Notfall über Pflege entscheiden
Was für viele Ehepaare unvorstellbar klingt, ist geltendes Recht: Wenn der Partner nicht mehr über sich selbst bestimmen kann, darf nicht der Ehegatte, sondern nur ein Richter Entscheidungen treffen. Eine Bundesratsinitiative will das ändern.

Düsseldorf, Dortmund (epd). Wenn ein Mensch wegen Krankheit, Behinderung oder Pflegebedürftigkeit nicht mehr über sich selbst bestimmen kann, soll künftig automatisch der Ehepartner alle Fragen der Gesundheitsversorgung regeln können. Das sieht eine Bundesratsinitiative aus Nordrhein-Westen und Baden-Württemberg vor, über die die Länderkammer am Freitag beraten will, wie die in Düsseldorf erscheinende "Rheinische Post" (Donnerstagsausgabe) berichtete. Bei Patientenschützern stieß der Entwurf auf Kritik.

NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) sagte der Zeitung: "Auch wenn Gerichte gut und schnell entscheiden, kennt niemand die Bedürfnisse des Betroffenen besser als die eigene Ehefrau oder der eigene Ehemann." Es bestehe Handlungsbedarf, weil vermutlich die meisten Bürger die geltende Rechtslage falsch einschätzten. Es sei ein verbreiteter Irrglaube, dass ein Ehepartner für den anderen im Notfall Entscheidungen treffen könne, sagte der Minister. Das könne nur der Richter.

Ohne zeitliche Beschränkung und auch für eingetragene Lebenspartnerschaften

Derzeit benötigen Ehepartner eine schriftliche Vollmacht, damit sie über Untersuchungen, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe entscheiden können. Wenn eine solche Vollmacht nicht vorliegt, muss ein Gericht einen Betreuer für die Person suchen, die nicht mehr selbst über ihre Belange entscheiden kann. In die Rolle des Betreuers kann auch der Ehegatte kommen - bislang aber nur durch Gerichtsentscheid. Laut Bericht trifft das aktuell nur auf 40 Prozent aller Fälle zu.

Die bisherige Rechtslage soll dem Entwurf zufolge ins Gegenteil verkehrt werden. Bislang galt: Wenn der Ehepartner keine Vorsorgeerklärung hinterlassen hat, ist das Gericht zuständig. Künftig soll nach dem Willen der Länder gelten: Wenn der Ehepartner nicht ausdrücklich widersprochen hat, soll der eigene Mann oder die eigene Frau die Betreuung übernehmen. Die geplante Regelung soll ohne zeitliche Beschränkung und auch für eingetragene Lebenspartnerschaften gelten, wie die "Rheinische Post" berichtete. Für Verträge außerhalb der Gesundheitsversorgung wie Bankgeschäfte wäre weiterhin eine Vorsorgevollmacht notwendig.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz erklärte, der Entwurf habe zahlreiche Schwächen und Unklarheiten. "Gut gemeint ist hier schlecht gemacht", sagte Vorstand Eugen Brysch dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Vorschlag schränke das Selbstbestimmungsrecht von Verheirateten stark ein, weil sie einem automatischen Vertretungsrecht des Ehepartners künftig aktiv widersprechen müssten. Zudem hätten Betroffene dafür zu sorgen, dass ihr Widerspruch im Notfall auch bekanntwerde. "Diese Offenbarungspflicht ist mit dem Selbstbestimmungsrecht unvereinbar", sagte Brysch.

Er warf den Justizministern vor, mit der Maßnahme lediglich Geld sparen zu wollen. "Rund eine Milliarde Euro geben die Länder derzeit für Betreuungsverfahren aus", erklärte Brysch. "Durch die automatische Vorsorgevollmacht sollen viele dieser Verfahren überflüssig werden."