Berlin (epd). Die Deutsche Welthungerhilfe sieht noch große Defizite bei der Bekämpfung des weltweiten Hungers. Es seien zwar wichtige Erfolge erzielt worden. Allerdings müssten die Anstrengungen in Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft noch deutlich gesteigert werden, wenn bis zum Jahr 2030 das "Null-Hunger-Ziel" der Vereinten Nationen erreicht werden solle, sagte die Präsidentin der Welthungerhilfe, Bärbel Dieckmann, am Dienstag in Berlin bei der Vorstellung des neuen Welthunger-Indexes.
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) sieht die Arbeit der Bundesregierung durch die neuen Daten aus dem Welthunger-Index bestätigt: "Hunger ist der größte vermeidbare Skandal auf unserem Planeten." Das Ziel der Weltgemeinschaft, den Hunger weltweit bis 2030 zu besiegen, sei auch Ziel in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit.
Laut Welthunger-Index sind weltweit immer noch 795 Millionen Menschen unterernährt. In 50 Ländern sei die Ernährungslage "ernst oder sehr ernst", sagte Dieckmann. "Bewaffnete Konflikte sind oft die Hauptursache dafür." Die meisten Sorgen bereiteten weiterhin afrikanische Staaten südlich der Sahara sowie Südasien.
Welthunger-Index: Große Unterschiede
Mit Blick auf Fluchtbewegungen aus Hunger- und Kriegsregionen sowie als Folge des Klimawandels sagte Dieckmann, "die Menschen werden sich nicht damit abfinden, auf Dauer benachteiligt zu sein". Dabei gebe es Chancen, die Lebensbedingungen vor Ort zu verbessern, "so dass sie sich nicht auf den Weg machen". "Wir brauchen für Afrika mehr Investitionen", vor allem in die Landwirtschaft, sagte die Chefin der Welthungerhilfe im Südwestrundfunk.
Laut dem neuen Welthunger-Index stagniert in keiner Region der Welt der Kampf gegen den Hunger. Allerdings gibt es große Unterschiede, teilweise auch innerhalb von Staaten wie etwa in Mexiko und Jordanien. Grund für die gegenüber dem Vorjahr nahezu unverändert hohe absolute Zahl hungernder Menschen ist das weltweite Bevölkerungswachstum.
Laut dem neuen Index ist der "Hunger-Wert" seit der Jahrtausendwende um 29 Prozent gefallen. Untersucht wurden 118 Staaten. Ausgenommen waren einige einkommensstarke Industriestaaten, darunter Deutschland. Länder wie Ruanda und Myanmar konnten den Angaben zufolge ihre Werte seit dem Jahr 2000 um mindestens die Hälfte verringern. In den Index fließen Faktoren wie Unterernährung, die Wachstumsverzögerung bei Kindern sowie die Kindersterblichkeit ein.
Probleme in Ländern südlich der Sahara
Die meisten der sieben Länder mit den höchsten Index-Werten in der Kategorie "sehr ernst" liegen südlich der Sahara: Sierra Leone, Sambia, Tschad, die Zentralafrikanische Republik und Madagaskar. Hinzu kommen Haiti, das jetzt durch den Wirbelsturm "Matthew" zusätzlich schwer getroffen wurde, und Jemen.
Aufgrund unvollständiger Daten konnte der Index-Wert in diesem Jahr für 13 Länder nicht errechnet werden. Bei Betrachtung der vorliegenden Daten und Berichte sei aber davon auszugehen, dass die Lage in zehn dieser Länder Anlass zu ernster Besorgnis gebe, sagte Klaus von Grebmer vom International Food Policy Research Institute in Washington. Dabei handelt es sich um Syrien, Burundi, die Demokratische Republik Kongo, Eritrea, die Komoren, Libyen, Papua-Neuguinea, Somalia, den Sudan und den Südsudan. Das Institut hat gemeinsam mit der Welthungerhilfe und der Hilfsorganisation Concern Worldwide den diesjährigen Bericht erstellt.
In den vergangenen 16 Jahren konnten laut Hunger-Index 22 Länder ihre Werte um mindestens 50 Prozent reduzieren. Die drei Länder in den Kategorien "ernst" und "sehr ernst", die ihre Hunger-Werte auf der Skala von 0 bis 100 am stärksten senken konnten, waren Ruanda, Kambodscha und Myanmar. Alle drei Länder waren in den vergangenen Jahrzehnten von Bürgerkriegen und politischer Instabilität betroffen. "Die Verbesserungen könnten also zum Teil ein Resultat stabilerer Verhältnisse sein", sagte Grebmer. Der Welthunger-Index ist der elfte in einer Reihe jährlicher Berichte zur Hungersituation weltweit.