Haiti droht nach "Matthew" neue Cholera-Epidemie
Nach dem verheerenden Hurrikan "Matthew" wächst im Karibikstaat Haiti die Angst vor einer Cholera-Epidemie. In der zerstörten Küstenstadt El Salut wurde am Sonntag (Ortszeit) der erste Cholera-Tote gemeldet. Inzwischen sind nach Medienberichten acht weitere Todesopfer hinzugekommen. 2010 starben bei einer Cholera-Seuche Tausende Menschen.

São Paulo (epd). Der Wirbelsturm, der vor rund einer Woche über Haiti hinweggefegt war, hat nach Schätzungen der Katastrophenschutzbehörde mindesten 1.000 Menschen das Leben gekostet. Gesicherte Opferzahlen liegen noch nicht vor.

Mittlerweile haben zahlreiche Hilfsorganisationen mit der Verteilung von Lebensmitteln und sauberem Trinkwasser begonnen. Der Zugang zu den am stärksten verwüsteten Gebieten ist aber wegen zerstörter Straßen und anhaltender Überflutungen schwer.

Folgen des Erdbebens vor sechs Jahren

750.000 Menschen sind nach UN-Angaben auf Soforthilfe angewiesen. Strom und Telefon funktionieren nicht. In der südlichen Küstenregion sind nach UN-Angaben 90 Prozent der Häuser zerstört oder schwer beschädigt.

Nach wie vor leidet der Karibikstaat auch unter den Folgen des Erdbebens vor mehr als sechs Jahren, bei dem rund 300.000 Menschen starben und mehr als eine Million obdachlos wurden. Neun Monate später war in dem Land die Cholera ausgebrochen. Offenbar hatten nepalesische UN-Blauhelmsoldaten die Seuche eingeschleppt. Hunderttausende erkrankten.

Laut Unicef haben Zehntausende derzeit keinen Zugang zu sauberem Wasser. Die Verteilung von Tabletten zur Wasserdesinfektion und die Bereitstellung von Trinkwasser sei deshalb vordringlich. "Überschwemmungen und stehendes Wasser mit den Leichen von Menschen und Tieren darin sind die perfekte Brutstätte für den Cholera-Erreger", sagte Marc Vincent, Unicef-Repräsentant auf Haiti. Er sprach von einem Wettlauf gegen die Zeit, denn die hygienischen Bedingungen seien schon vor den Zerstörungen von "Matthew" fatal gewesen.

Wasser "hochgradig kontaminiert"

Auch Caritas international warnte vor Seuchen. "Das Wasser ist hochgradig kontaminiert, weil Latrinen zerstört und sogar ganze Friedhöfe überschwemmt wurden", erklärte Oliver Müller von Caritas International. Die Zahl der Moskitos, die Dengue-Fieber und das Zika-Virus übertragen, habe sich massiv erhöht. Die Diakonie Katastrophenhilfe stellte rund 300.000 Euro Soforthilfe zur Verfügung. "Wir sind froh, dass wir erste Hilfspakete schnell verteilen konnten", erklärte das Hilfswerk. Laut dem UN-Büro für humanitäre Hilfe (Ocha) droht auch eine Hungersnot: In den am meisten betroffenen Regionen sind bis zu 80 Prozent der Ernte verloren.

Haiti gilt als das ärmste Land Lateinamerikas. Auch politisch ist der Inselstaat hochgradig instabil. Wegen der Verwüstungen durch den Wirbelsturm mussten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen abgesagt werden. Ein neuer Termin steht noch nicht fest. Das Ergebnis der letzten Präsidentschaftswahl vor einem Jahr wurde wegen schwerer Betrugsvorwürfe annulliert. Eine Übergangsregierung regiert seit Monaten das Land.