Ein warmes Essen fällt bei vielen Senioren unter den Tisch
Ältere Menschen können oder wollen häufig nicht mehr für sich kochen. Deshalb sind viele mangelernährt. Mit einer Aktionswoche wirbt die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen für gemeinsame Mittagstische.

Bonn (epd). Ingeborg Schmitz (Name geändert) hat keine rechte Lust mehr, mittags für sich alleine zu kochen. "Meist mache ich mir einfach eine Dose auf", erzählt die Seniorin. Nur freitags ist das anders. Dann geht die Rentnerin regelmäßig zum Mittagessen in die Begegnungsstätte "Offene Tür Dürenstraße e.V." in Bonn-Bad Godesberg.

"Hier wird immer frisch und gut gekocht", sagt die Seniorin, während sie an der mit Kerzen und Blumen geschmückten Mittagstafel Platz nimmt. Hauswirtschafterin Marie-Luise Schlotterbeck begrüßt ihre Stammkundin freundlich und bringt ihr gleich einen Teller mit dem Tagesmenü: Kabeljau mit Kräuter-Tomatensauce, Salzkartoffeln und Salat.

Es gibt zu wenige Mittagstische

Mittagstische wie den der "Offenen Tür" in Bonn gibt es nach Ansicht der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (Bagso) viel zu wenig. "Da besteht noch ein hoher Bedarf," sagt Anne von Laufenberg-Beermann, Projektleiterin für die Mittagstisch-Aktion. Eine Umfrage des Seniorenverbandes in bundesweit sechs Kommunen zeigte: Viele ältere Menschen ernähren sich einseitig. Das bestätigen auch Erhebungen der Deutschen Gesellschaft für Seniorenberatung, wonach knapp ein Drittel der Senioren nicht in der Lage ist, eine warme Mahlzeit zuzubereiten. Deshalb verzichtet von dieser Gruppe wiederum ein Viertel komplett auf ein warmes Essen.

Die Folge sei Mangelernährung, sagt Ricarda Holtorf von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Bei Senioren sei häufig ein Mangel an Vitamin C, E und D sowie Kalzium festzustellen. "Mit Ausnahme von Vitamin D sind das alles Nährstoffe, die man problemlos über die Nahrung zuführen könnte", sagt Holtorf. Oft fehle es jedoch an ausgewogenen Mahlzeiten mit frischem Gemüse und Obst. Zum Teil liege das auch an der knappen Kasse vieler älterer Menschen, weiß Laufenberg-Beermann. "Und viele Senioren haben auch keine Lust zu essen, weil sie alleine sind."

Mit einer Mittagstisch-Aktionswoche vom 10. bis 15. Oktober will die Bagso gleich beide Probleme auf einmal angehen: Gemeinsame Mahlzeiten sollen zum einen als Treffpunkt für ältere Menschen dienen und zum anderen einen Beitrag zur gesünderen Ernährung leisten. Rund 120 neue Anbieter eröffnen in der Aktionswoche ihre Mittagstische. Ihr Start wird vom Bundesernährungsministerium finanziell gefördert.

Frisches Gemüse oder Salat: Fehlanzeige

Bedingung für die Förderung war unter anderem das Angebot einer ausgewogenen, gesunden Mahlzeit. Die Anbieter mussten dazu ihre Rezepte einreichen. Dabei haperte es allerdings häufig. "Rund ein Drittel hat den Vorgaben nicht entsprochen", sagt von Laufenberg-Beermann. Das lag meist daran, dass frisches Gemüse oder ein Salat fehlten. Alle betroffenen Anbieter hätten aber Änderungsvorschläge angenommen und nachgebessert. "Uns hat das gezeigt, dass hier oft noch das Bewusstsein für gesunde Ernährung fehlt."

Auch Ernährungsexpertin Holtorf beobachtet immer wieder, dass die Essensangebote für Senioren oft zu ungesund sind. Häufig enthielten Seniorenmenüs - etwa Essen auf Rädern - zu viel Fleisch, Fett und Salz und zu wenig frisches Gemüse. Ein weiteres Problem seien lange Warmhaltezeiten, wodurch viele Vitamine verloren gingen. "Der Bereich Seniorenernährung steckt noch in den Kinderschuhen. Es gibt noch ganz viel zu tun", stellt Holtorf fest. Wünschenswert wäre, dass es mehr kleine Anbieter gebe, die frisch vor Ort kochen.

So wie die "Offene Tür" in Bonn, wo Marie-Luise Schlotterbeck das Tagesgericht für 4,50 Euro frisch zubereitet. "Ohne Instantprodukte und immer mit frischem Gemüse oder Salat", wie sie betont. Den zehn bis 20 Senioren, die jede Woche kommen, schmecke Fisch besonders gut. "Und eine gute, selbst gemachte Sauce dazu." Nachmittags gibt es in der Seniorenstätte ein Stück frisch gebackenen Kuchen und eine Tasse Kaffee für 2,20 Euro. "Das können sich auch Senioren mit kleiner Rente einmal leisten", sagt Schlotterbeck.