Mit lässigem Handschlag begrüßt Basel Abdulhadi im Jugendzentrum "Phoenix" in Bad Gandersheim die Nachmittagsgäste. "Ey, du Flachzange", ruft ein Jugendlicher scherzend zu ihm herüber. Das Wort kennt der 20-jährige gebürtige Palästinenser noch nicht. Schnell erkennt er aber am Tonfall, wie es gemeint ist, und lächelt nachsichtig. Abdulhadi, der in Syrien aufwuchs, arbeitet in dem kirchlichen Jugendzentrum als Betreuer und gehört damit zu den ersten 130 Flüchtlingen in Niedersachsen, die als "Bufdi" einen Bundesfreiwilligendienst absolvieren.
Vor knapp einem Jahr floh Abdulhadi aus Syrien über das Mittelmeer und die Balkan-Route nach Deutschland. Mit rund 600 weiteren Flüchtlingen wurde er in Bad Gandersheim in einem leerstehenden Hotel untergebracht. "Ich habe viel alleine gelernt und mir Bücher gekauft, weil es hier keinen richtigen Sprachkurs gab", erzählt er. Im Jugendzentrum am Stadtrand fand er schließlich deutsche Freunde. Irgendwann fragte er den leitenden Pastor nach Arbeit. "Und es hat geklappt", sagt Abdulhadi fast ein wenig verwundert.
Seit Ende vergangenen Jahres gibt es den vom Bund geschaffenen "Bundesfreiwilligendienst mit Flüchtlingsbezug". Dabei können sich geflüchtete Menschen wie Abdulhadi als Bufdis in sozialen, kulturellen und ökologischen Einrichtungen und Projekten engagieren. Deutschlandweit arbeiten den Angaben zufolge derzeit rund 1.400 Flüchtlinge als Bundesfreiwilligendienstler.
In einem Modell-Projekt der Diakonie in Niedersachsen wird den Geflüchteten dabei ein deutscher Tandempartner zur Seite gestellt: Der 21-jährige Jakob Husar, der ebenfalls "Bufdi" im Jugendzentrum ist, unterstützt Abdulhadi künftig. An diesem Nachmittag bauen die Bufdis gemeinsam mit den Jugendlichen im sonnigen Innenhof Gartenmöbel aus Euro-Paletten. Während drinnen Hip-Hop-Bässe wummern, wird draußen gehämmert, gesägt und geschraubt. Versteht Abdulhadi einen Satz mal nicht, kann sein Kollege Husar ihn erklären und zur Not ins Englische übersetzen. "Ich lerne viel von Jakob", sagt Abdulhadi.
Der evangelische Pastor Thomas Ehgart als Geschäftsführer der Einrichtung hat nicht lange gezögert, als Abdulhadi ihn nach Arbeit fragte. "Er hat sofort begriffen, dass es um Beziehungen geht, hat sich in diese reinbegeben und somit schnell Kontakt zu Familien und zu den Jugendlichen geknüpft." Der Palästinenser sei auch wegen seiner persönlichen Geschichte für die Jugendlichen eine Bereicherung. "Die meisten können sich überhaupt nicht vorstellen, was es heißt, Todesgefahr, Flucht und Angst zu erleben." Es sei ein Unterschied, ob sie Abdulhadis Geschichte hörten oder nur Fernsehbilder von den Kriegsgebieten sähen.
Im Jugendzentrum, einer vor zwei Jahren umgebauten Kneipe, sei Abdulhadi mittlerweile so etwas wie ein Botschafter geworden, sagt Tandempartner Jakob Husar. "Auch ich lerne viel von ihm und über den respektvollen Umgang mit seiner Kultur." Das sei besonders wichtig, weil immer mal wieder auch junge Flüchtlinge in das Zentrum kämen.
Abdulhadi lebt inzwischen mit seiner ebenfalls geflüchteten Schwester in einer eigenen Wohnung. Für ihn ist die Arbeit im Jugendzentrum ein weiterer Schritt, um in Deutschland Fuß zu fassen. "Ich habe einen Plan, und ich bin nicht hergekommen, um zu Hause zu sitzen", betont er. In Syrien, wo er seine Eltern zurückließ, habe es keine Zukunft mehr für ihn gegeben, sagt er und holt tief Luft. "Ich habe zu viele Sachen verloren."
Nach drei Jahren Studium musste er die Uni ohne Abschluss verlassen. In Deutschland will er nach dem Bundesfreiwilligendienst Zahnmedizin studieren.
Die beiden Bufdis haben für das kommende Jahr viele Ideen. Demnächst wird es eine interkulturelle Disco geben, kündigt Abdulhadi an. Jeder bringt Musik auf seinem Smartphone mit, die dann im Wechsel gespielt wird. Abdulhadis Augen leuchten: "Ich bin schon sehr gespannt."
Über Freiwillige im Ausland berichtet auch das neue Angebot der Kirchen im öffentlich-rechtlichen Jugendangebot Funk, frei.willig.weg.