Brüssel (epd). Eine Afghanistan-Konferenz in Brüssel hat am Mittwoch über Milliarden-Hilfen verhandelt, nachdem Afghanistan sich zuvor bereiterklärt hatte, bei der Abschiebung von Landsleuten aus Europa stärker zu kooperieren. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini bestritt einen Zusammenhang, während Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) die Kooperation in der Migrationsfrage als Bedingung für Hilfen rechtfertigte. Unterdessen wurde der Wortlaut der Migrations-Vereinbarung zwischen EU und Afghanistan öffentlich, den die EU zunächst unter Verschluss gehalten hatte.
"Afghanistan ist auf unsere Hilfe weiter angewiesen", sagte Steinmeier und stellte für Deutschland 400 Millionen Euro in Aussicht. Die Unterstützung sei aber "nicht voraussetzungslos", machte der Außenminister klar und nannte Bedingungen wie die Einhaltung der Menschenrechte und die Bekämpfung von Korruption. "Wir erwarten auch Kooperation in Migrationsfragen", sagte der Außenminister.
"Keine Verbindung zwischen Entwicklungshilfe und Migration"
Anders äußerte sich die EU-Außenbeauftragte Mogherini. "Es gibt niemals, niemals eine Verbindung zwischen unserer Entwicklungshilfe und was immer wir im Hinblick auf Migration tun", sagte sie. Insbesondere existiere keine Verbindung zwischen der Unterstützung Afghanistans und der Migrations-Vereinbarung.
Die Vereinbarung war bereits am Sonntag geschlossen worden. Die EU veröffentlichte sie aber erst am Dienstagabend. Sie sieht vor, dass Afghanistan afghanische Migranten aus Europa bereitwilliger zurücknimmt. Zu diesem Zweck wird zum Beispiel festgelegt, dass die afghanischen Behörden innerhalb von vier Wochen Reisedokumente ausstellen. Auch die konkrete Landung von Abschiebeflügen wird vorbereitet: "Beide Seiten werden die Möglichkeit ausloten, ein spezielles Terminal für Rückführungen am Flughafen Kabul zu bauen", heißt es in dem Papier.
Auch unbegleitete Minderjährige fallen unter die Abmachung. Wie für Frauen, Ältere und andere verwundbare Gruppen soll für sie besonders Sorge getragen werden. Unbegleitete Minderjährige sollen gar nicht abgeschoben werden, wenn ihre Familien in Afghanistan nicht ausgemacht werden können und auch keine "adäquaten Vorkehrungen für die Aufnahme und Betreuung" bestehen. Davon abgesehen gilt die Abmachung weder für minderjährige noch volljährige Flüchtlinge, also Menschen, die in Europa Asyl erhalten haben.
Von verschiedenen Seiten wurde die Abmachung dennoch hart kritisiert. "Besonders empörend ist, dass sogar die Abschiebung von unbegleiteten Minderjährigen möglich sein soll", erklärte Pro-Asyl-Chef Günter Burkhardt. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Uwe Kekeritz urteilte: "Die Menschen sind in Afghanistan nicht sicher."
Fachmann: Anschläge ja, Krieg nein
Anders schätzte die Lage Reinhard Erös ein, Arzt und Gründer der Kinderhilfe Afghanistan. In Afghanistan gebe es zwar Anschläge, aber keinen Krieg wie in Syrien, sagte Erös am Mittwoch im Deutschlandfunk. Aus Afghanistan kämen vorwiegend "nicht Frauen und Kinder und Verwundete und schwerst Kriegstraumatisierte, wie wir sie aus Aleppo etwa haben oder aus Homs hatten, sondern aus Afghanistan kamen im vergangenen Jahr fast ausschließlich, das heißt über 70 Prozent junge kräftige Männer". Die internationale Gemeinschaft müsse helfen, dass diese Gruppe in ihrer Heimat Arbeit bekomme, forderte der frühere Bundeswehr-Offizier.
In Brüssel bedankte sich unterdessen Afghanistans Präsident Ashraf Ghani für die bisher seinem Land geleistete Hilfe. Besonders würdigte er die getöteten Soldaten. "Ihre Söhne und Töchter, die Schulter an Schulter mit uns gekämpft haben" hätten "das größtmögliche Opfer in unserem Kampf für die Freiheit" gebracht, sagte Ghani bei der Konferenz.
Im Mittelpunkt des zweitätigen Treffens mit Delegationen aus Dutzenden Staaten und internationalen Organisationen standen Frieden, Sicherheit, Reformen und die Entwicklung Afghanistans. Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und US-Außenminister John Kerry nahmen teil.