Dabei verspricht der flott geschnittene Auftakt eine typische kurzweilige Donnerstagsproduktion im ZDF. Im Mittelpunkt stehen drei Hamburgerinnen. Die eine (Striebeck) hat alle Hände voll mit den Vorbereitungen für einen fröhlichen Abend im Kreis ihrer Freunde zu tun, die zweite (Karoline Eichhorn) weiß nicht, was sie anziehen soll, die dritte (Katharina Müller-Elmau) muss noch eine Arbeit beenden, bevor sie sich auf den Weg macht, die halbwüchsigen Kinder sagen typische Fernsehkindersätze ("chill mal") - und dann wird es unglaubwürdig, weil die Geselligkeit gespielt wirkt. Die Runde schüttet sich aus vor Lachen über Bemerkungen, die nicht komisch sind; als Zuschauer fühlt man sich wie jemand, der nüchtern unter fröhliche Zecher geraten ist.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Aber womöglich hat das ja Methode; Ulrike Grote, gelernte Schauspielerin und spätestens seit "Die Kirche bleibt im Dorf" auch als Regisseurin anerkannt, wird schon gewusst haben, warum sie die Männer und Frauen so übertrieben harmonisch agieren lässt. Tatsächlich kippt die Stimmung urplötzlich ins Gegenteil, als die Beteiligten darüber sinnieren, was sie jeweils unter Glück verstehen. Für den protestantischen Theologen Jan (Joachim Raaf) zum Beispiel ist Glück die Realisierung seines Jugendtraums: Er wollte immer Pfarrer werden, und deshalb hat er sich für die Stelle in einer Landpfarrei beworben; Gattin Jule (Eichhorn) fällt aus allen Wolken, denn davon wusste sie nichts. Die Stimmung ist bereits im Keller, als endlich auch Angela (Müller-Elmau) auftaucht und von ihrem Mann (Peter Jordan) ausgesprochen frostig begrüßt wird; er ärgert sich schon lange darüber, dass ihr die Arbeit wichtiger ist als die Familie. Prompt erwischt es auch das dritte Paar: Maja wird zufällig Zeugin, wie Ehemann Florian (Martin Lindow) mit seiner Geliebten telefoniert. "Ins Wasser gefallen" ist nur eine unzureichende Beschreibung für den Verlauf, den der Geburtstag genommen hat, auch wenn draußen passend zum Feierklima ein Wolkenbruch niedergeht; und aus dem Film, der wie eine Komödie begonnen hat, ist ein waschechtes Drama geworden.
Fortan beobachten Grote und Ruppert, wie die drei Frauen, alle ungefähr Mitte vierzig und somit in jeder Hinsicht mitten im Leben, mit den neuen Situationen umgehen. Am mitgenommensten reagiert Maja; die Ereignisse haben sie völlig unvorbereitet getroffen. Janna Striebeck spielt diesen Zustand der Schockiertheit überaus glaubwürdig und uneitel: Nach viel Alkohol und wenig Schlaf sieht Maja am Morgen danach völlig fertig aus. Striebeck lotet die Rolle ohnehin bis zur bitteren Neige aus und darf sich richtig austoben, als Maja erst Florians Klamotten vom Balkon wirft und dann in einem Wutanfall das komplette Wohnzimmer demoliert. Angela reagiert erwachsener: Sie konfrontiert Hans mit dem Wunsch, das im Mittelmaß erstarrte gemeinsame Dasein zu beenden. Einzig Jule ist noch unentschlossen. Sie will dem Lebenstraum ihres Mannes nicht im Weg stehen, hat aber auch keine Lust, aufs Land zu ziehen; außerdem ist sie komplett unreligiös.
Ähnlich wie zuletzt in "Was im Leben zählt", der Fortsetzung zu "Obendrüber…", erzählt Ruppert nun eher episodisch, wie die Frauen mit den Konflikten umgehen. Maja, immer noch untröstlich, lässt sich hinreißen und wälzt sich in leidenschaftlicher Umarmung mit Hans auf dem Sofateppich, als Angela vor der Terrassentür steht. Später wiederholt sich die Szene in etwas anderer Form, nun ist es Hans, von dem die Initiative ausgeht, und jetzt kommt überraschend Florian nach Hause. Etwas außerhalb der zentralen Gruppe steht Majas Mutter Irene (Nicole Heesters). Die beiden Frauen verbindet eine herzliche Abneigung. Leider ist Irene von Buch und Regie nicht gut integriert worden, weshalb sie wie bei einer Bühneninszenierung stets aufs Stichwort aufzutauchen scheint. Die Figur verdankt ihre Existenz offenbar nur einem dramaturgischen Kunstgriff: Einerseits muss die dünkelhafte Irene verdeutlichen, dass Maja "nach unten" geheiratet hat, denn Florian ist Anstreicher, was im Übrigen eine angenehme Abwechslung zu all den Anwälten und Informatikern ist, die solche Filme in der Regel bevölkern. Andererseits ist ausgerechnet Irene indirekt daran beteiligt, dass sich Maja eine Versöhnung mit Florian vorstellen kann: Ihre pubertierende Tochter Charlotte (Anouk Bödeker) reagiert äußerst feindselig auf die Trennung ihrer Eltern, sie gibt Maja die Schuld; und die erinnert sich daran, dass sie sich gerade genauso verhält wie einst ihre ungeliebte eigene Mutter in der gleichen Situation.
Anregungen, das eigene Leben zu hinterfragen
Und so bietet "Apropos Glück" eine Menge Anregungen, das eigene Leben zu hinterfragen und beispielsweise über die mangelnde Kommunikation innerhalb von Beziehungen nachzudenken. Diese Botschaft gilt natürlich keineswegs nur für Frauen, aber die Geschichte wird etwas einseitig aus ihrer Perspektive erzählt, denn die Männer sind die Antagonisten: Der eine hat eine Affäre, der zweite setzt ohne Rücksicht auf die Gattin seine Selbstverwirklichung durch, der dritte nutzt die erstbeste Gelegenheit, um seinen tröstenden Worten leidenschaftliche Taten folgen zu lassen. Dazu passt, dass die weiblichen Figuren insgesamt deutlich prominenter besetzt sind; in ihren Rollen sind aber alle sechs gleichermaßen überzeugend. Was hingegen gar nicht passt, sind einige der teilweise buchstäblich im Minutentakt angespielten Songs und Chansons, deren Unbeschwertheit in krassem Missklang zu den diversen Dramen steht, als sollten sie signalisieren: alles halb so wild. Aber vielleicht ist die Liedauswahl ja auch ironisch gemeint; musikalisches Leitmotiv ist schließlich "La vie en rose" (das Leben in Rosa). Richtig stimmig ist dagegen eine Szene kurz vor Schluss, als Maja lauthals Marvin Gayes’ "Ain’t No Mountain High Enough" mitsingt: weil sich die Handlung nun unerwartet zum Positiven wendet; oder zumindest Hoffnung schöpfen lässt.