Berlin (epd). Im vergangenen Jahr sind rund 890.000 Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) gab am Feitag in Berlin die Zahl bekannt, auf die er selbst lange warten musste. Er hatte stets erklärt, die Zahl von 1,1 Millionen Flüchtlingen sei zu hoch.
De Maizière sagte, zwar seien weniger Menschen gekommen als bisher angenommen, doch wolle er "keinen Zweifel daran lassen: Die Zahl von 890.000 ist dennoch sehr hoch". Die Versorgung der Menschen sei nur möglich gewesen durch einen Kraftakt der Behörden und der vielen Ehrenamtlichen.
Ein Kraftakt
Die Zahl von 1,1 Millionen Flüchtlingen war seit Anfang dieses Jahres im Umlauf und kam zustande, weil die Länder 2015 unter dem großen Andrang von Flüchtlingen dazu übergehen mussten, zunächst nur ihre Zahl zu ermitteln. Es ging zeitweilig allein um die Frage, wie viele Menschen untergebracht und versorgt werden mussten.
Mehr als das Herkunftsland und der Zielort wurden im Erfassungssystem der Länder zur Verteilung der Flüchtlinge, dem sogenannten "Easy"-System daher nicht erfasst, keine Namen, keine weiteren Daten. Die Menschen wurden häufig mehrfach gezählt. Länder und Behörden waren nicht vernetzt. Auch jene Flüchtlinge, die in andere Länder weiterreisten, blieben im Easy-System. Die "Easy"-Zahlen kamen allerdings der Wahrheit näher als die Zahl der Asylanträge, die wegen der langen Wartenzeiten den realen Andrang an Flüchtlingen nicht mehr wiedergab.
Von den 890.000 Flüchtlingen seien 820.000 vollständig registriert, sagte de Maizière. Das Innenministerium geht davon aus, dass 50.000 Menschen in andere Länder weitergereist sind. 20.000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind noch nicht vollständig erfasst, aber bekannt. Sie befinden sich in Jugendeinrichtungen im sogenannten Clearingverfahren, in dem zunächst geklärt wird, ob sie überhaupt ins Asylverfahren gehen.
Im laufenden Jahr 210.000 Asylsuchende
Im laufenden Jahr sind laut Innenministerium bisher 210.000 Asylsuchende nach Deutschland gekommen. Inzwischen werden die Personalien jedes Flüchtlings bei der Ankunft von der Bundespolizei aufgenommen. Dabei wird er auch erkennungsdienstlich behandelt. Die Datensätze werden in ein System eingespeist, auf welches das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie alle zuständigen Bundes- und Länderbehörden Zugriff haben. Dieses Kerndatensystem ist seit Ende Mai dieses Jahres verfügbar.
Nach Angaben des Innenministeriums sind von den 890.000 Flüchtlingen inzwischen 600.000 erkennungsdienstlich behandelt worden; das heißt, es gibt neben einem Lichtbild auch einen Fingerabdruck, der mit den Daten der Sicherheitsbehörden abgeglichen werden kann.
Zwischen Juni und September dieses Jahres wurden Flüchtlinge aus den Erfassungssystemen der Länder nachregistriert und die Zahlen bereinigt. Bis zum Mai waren die Länder nicht untereinander und mit den Bundesbehörden vernetzt. Daher und wegen der zunächst anonymen Erfassung kam es zu den Mehrfachzählungen. Nach Auskunft des Bundesamts für Migration sind die Daten aller Asylsuchenden aus den Ländern nunmehr im Kerndatensystem erfasst.
Nicht gemeldet, nicht erfasst
160.000 Neuankömmlinge bekamen zwischen Februar und September dieses Jahres einen Ankunftsnachweis oder Flüchtlingsausweis, mit dem sie Anspruch auf staatliche Unterstützung haben auch dann, wenn sie noch keinen Asylantrag stellen konnten. Nicht erfasst sind weiterhin jene Menschen, die im Land sind, sich aber nirgendwo gemeldet haben und auch keine staatlichen Leistungen beziehen. Eine Schätzung, wie viele das sein könnten, wollte das Innenministerium nicht geben.
Fast 570.000 Asylanträge waren Ende August noch nicht entschieden. In der ersten Oktoberwoche werden die aktuellen Zahlen vom September bekanntgegeben. Der Chef des Bundesamts, Frank-Jürgen Weise, hatte vor knapp zwei Wochen erklärt, die Anträge würden inzwischen im Durchschnitt in rund fünf Wochen bearbeitet, zugleich aber eingeräumt, das Ziel, in diesem Jahr eine Million Anträge zu entscheiden, werde nicht erreicht.