Köln (epd). Das Oberlandesgericht Köln hat die "Tagesschau"-App für unzulässig erklärt. Das App-Angebot vom 15. Juni 2011, um das es in dem Verfahren ging, sei von Texten und Bildern bestimmt und damit presseähnlich gewesen, urteilten die Kölner Richter am Freitag. Damit habe die App gegen den Rundfunkstaatsvertrag verstoßen. (AZ: 6 U 188/12) Während der für die App zuständige NDR davon ausgeht, dass das Urteil keine Auswirkungen auf die mittlerweile veränderte "Tagesschau"-App hat, sehen die Zeitungsverleger Auswirkungen auch auf andere öffentlich-rechtliche Nachrichtenapps.
Unlauterer Wettbewerb
Das Gericht gab mit seiner Entscheidung mehreren Tageszeitungsverlagen Recht, die 2011 Klage gegen den NDR eingereicht hatten. Die Verlage, darunter Axel Springer, die Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH und die Funke Mediengruppe, warfen dem öffentlich-rechtlichen Senderverbund vor, mit der App in einen unlauteren Wettbewerb zu den kostenpflichtigen Angeboten der Zeitungshäuser zu treten. Laut Rundfunkstaatsvertrag dürfen öffentlich-rechtliche Sender keine nichtsendungsbezogenen presseähnlichen Angebote in Telemedien verbreiten.
Die "Tagesschau"-App vom 15. Juni 2011 war nach Ansicht des Oberlandesgerichts aber presseähnlich: Schon die Start- und Übersichtsseiten bestünden ausschließlich aus Text und Standbildern, hieß es. Auch auf den nachgelagerten Ebenen seien die Beiträge mit wenigen Ausnahmen geschlossene Nachrichtentexte gewesen, die aus sich heraus verständlich gewesen seien. Dies sei nach den Vorgaben des Bundesgerichtshofs als presseähnlich einzustufen.
Der NDR erklärte, das Urteil habe keine unmittelbaren Auswirkungen auf "Tagesschau.de" und die "Tagesschau"-App in ihrer heutigen Form. Seit dem 15. Juni 2011 habe sich das Erscheinungsbild der Angebote erheblich geändert, so sei etwa das Video- und Audio-Angebot deutlich verstärkt worden, erklärte NDR-Justiziar Michael Kühn. Dennoch würden NDR und ARD die Urteilsgründe und die zur Verfügung stehenden Rechtsmittel sorgfältig prüfen, "um mögliche Einschränkungen für die Online-Angebote zu vermeiden".
Revision nicht zugelassen
Als Aufforderung zur Einschränkung öffentlich-rechtlicher Textangebote im Internet sieht dagegen der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) das Urteil. "Mit neuen Nachrichtenapps wie RBB24, BR24 oder ARDText haben die Landesrundfunkanstalten ihr Textangebot im Internet in einer Weise ausgeweitet, die mit der heutigen Entscheidung des OLG Köln unvereinbar ist", sagte Hauptgeschäftsführer Dietmar Wolff in Köln. Sollten die öffentlich-rechtlichen Sender ihr Angebot nicht deutlich einschränken, seien weitere Schritte unumgänglich.
Die Gewerkschaft ver.di bedauerte das Urteil und forderte eine Anpassung des Rundfunkstaatsvertrags. "Texte im Internet dürfen nicht per se Hoheitsgebiet der Verlage sein", betonte der stellvertretende Gewerkschaftsvorsitzende Frank Werneke. Der im Staatsvertrag festgelegte Sendungsbezug müsse durch einen weiter gefassten Programmauftragsbezug ersetzt werden.
Auch die medienpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Tabea Rößner, kritisierte die Entscheidung. In einem zunehmend digitalen Umfeld sei es nicht mehr zeitgemäß, Kriterien aus einer analogen Welt wie "presseähnlich" oder "sendungsbezogen" anzuwenden.
Eine Revision wurde nicht zugelassen. Mit dem Urteil endet vorerst ein fünfjähriger Rechtsstreit. Das Oberlandesgericht Köln hatte die 2011 eingereichte Klage der Verleger 2013 in zweiter Instanz zunächst abgewiesen. 2015 waren die Verleger mit ihrer Revision vor dem Bundesgerichtshof erfolgreich, der die Klage zurück an das Oberlandesgericht Köln verwies.