Frau Kebekus, vor drei Jahren bekamen Sie mit der katholischen Pius-Bruderschaft und dem WDR Riesenärger, weil Sie in einem satirischen Beitrag an einem Kruzifix geleckt hatten. Trotzdem schaffen Sie es jetzt mit der Sendung "PussyTerror TV" ins Erste. Empfinden Sie eine späte Genugtuung?
Carolin Kebekus: Natürlich denke ich mir, dass es ein langer und steiniger Weg bis hierhin war. Aber ich denke nicht: "Geil, jetzt habe ich es denen allen gezeigt." Ich habe mit allen Beteiligten von damals lange und viel über die Sache geredet, und das Ding ist für mich tatsächlich erledigt.
Ihr Kollege Jan Böhmermann hat mit seinem Schmähgedicht auf den türkischen Präsidenten Erdogan neulich ebenfalls die Grenzen der Kunstfreiheit kennengelernt und sich damit erheblichen Ärger eingehandelt…
Kebekus: Es ging ihm darum, diese Grenze zu zeigen, und das hat er geschafft, würde ich sagen. Aber das, was er an Konsequenzen gespürt hat, dass die Kanzlerin ihn verleugnet und dem Löwen zum Fraß vorgeworfen hat, fand ich als Künstler in Deutschland sehr erschreckend.
Sie selber hatten schon öfter Ärger, unter anderem mit der katholischen Kirche wegen Ihrer Bewerbung als Päpstin und mit wütenden Fans von Helene Fischer wegen einer Parodie auf die Sängerin. Ist es ein Zeichen für gelungene Comedy, wenn die Leute so stark reagieren?
Kebekus: Es ist zumindest ein Zeichen dafür, dass man einen Nerv getroffen hat. Bei diesen Sachen, die Sie genannt haben, geht es ja darum, ein Massenphänomen zu hinterfragen. Wenn plötzlich alle Helene Fischer gut finden, dann muss ich mich fragen: Hä, warum denn? Gerade das auseinanderzunehmen, was alle gut finden, ist lustig und spannend.
"Es gibt immer wieder etwas Neues, über das man sich schön auslassen kann"
Gibt es auch Themen, an die Sie sich nicht herantrauen?
Kebekus: Nein. Solange es mich interessiert und tangiert, solange ich eine Haltung und eine Meinung dazu habe, die ich wichtig finde zu verbreiten, werde ich vor keinem Thema zurückschrecken. Ich rede auf der Bühne zum Beispiel auch über den sogenannten Islamischen Staat. Wir alle leben jetzt in ständiger Terrorangst, und diese bisweilen absurde Situation kann man auf der Bühne ja so beleuchten, dass man darüber lachen kann. Das hat auch etwas Befreiendes.
Welche Phänomene knöpfen Sie sich in den neuen Folgen Ihrer Show "PussyTerror TV" vor?
Kebekus: Es gibt immer wieder was Neues, über das man sich schön auslassen kann. Aktuell finde ich diese Entwicklung mit den Menschen, die bei YouTube vor laufender Kamera ihre Drogeriemarkttüten auspacken, sehr seltsam.
Nie davon gehört…
Kebekus: Geben Sie mal in der Suchmaske "dm-haul" ein: Da packen junge Mädchen Lidschatten und andere Sachen aus, die sie sich gekauft haben, und beschreiben, wie sie das Produkt finden, und Millionen Mädchen gucken sich das an und überlegen, ob sie sich dasselbe auch kaufen sollen. Das ist natürlich pure Werbung, die aber als Unterhaltung verpackt ist. Sehr befremdlich.
Viele Ihrer Späße spielen sich unterhalb der Gürtellinie ab und Sie nehmen dabei kein Blatt vor den Mund. Ist es von vornherein lustiger, wenn eine Frau ein derbes Wort sagt, als wenn ein Mann das tut?
Kebekus: Ja, denn es geht ja immer um die Fallhöhe, die man herstellt, also das Bild, das man abgibt, und das, worüber man spricht. Ich rede auf der Bühne zum Beispiel sehr gerne übers Furzen. Wenn ein Mann das erzählen würde, wäre es sicherlich auch lustig, aber es hat einen größeren Reiz, wenn ich das sage.
Lachen Frauen über andere Sachen als Männer?
Kebekus: Nein, ich glaube, dass Frauen und Männer über dieselben Sachen lachen. Es gibt in meinem Publikum immer Frauen, denen manche Dinge noch nicht hart genug waren, und Jungs, die sagen: Das war mir zu hart. Also es ist mehr eine Typfrage.
Gibt es genug lustige Frauen im Fernsehen?
Kebekus: Nein, es gibt viel zu wenige, von einer gleichberechtigten Quote sind wir noch ganz weit weg. Lustige Männer gibt es ja genug, wir müssten Mädchen nachschießen. Aber zum Glück gibt es zurzeit ganz viele, die auf Bühnen gehen und sich ausprobieren, deshalb werden im Fernsehen viele nachkommen.
"Die Exotenrolle ist Fluch und Segen zugleich"
Verstehen Sie sich als eine Wegbereiterin?
Kebekus: So weit würde ich nicht gehen. Aber wenn ich den Eindruck habe, dass ich jungen Mädchen Lust darauf mache, das gleiche zu machen wie ich, oder wenn ich ihnen zeigen kann, dass das eine Möglichkeit ist, dann finde ich das cool.
Ist es für Komikerinnen schwieriger als für Männer, sich im Fernsehen durchzusetzen?
Kebekus: Als Frau bekommt man einerseits sehr schnell Chancen, im Fernsehen aufzutreten, weil es noch nicht viele gibt. Anderseits ist diese Exotenrolle Fluch und Segen zugleich. Ich war früher oft in der Situation, dass ich in Shows mit verschiedenen Comedians mitmachen sollte, und dann hieß es: "Wir haben in der Runde schon eine Frau, wir brauchen keine zweite." Warum zwei Frauen bei insgesamt fünf Plätzen zu viel sind, habe ich nie verstanden. Es geht doch darum, dass es lustige Menschen sind – ob Frauen oder Männer, sollte egal sein.
Eine männliche Bastion ist ja auch das in Deutschland brachliegende Genre der täglichen Late-Night-Show. Könnten Sie sich vorstellen, irgendwann mit einem solchen Format in die Fußstapfen von Harald Schmidt zu treten?
Kebekus: Ich fände das nicht schlecht, das hätte einen großen Reiz. Aber momentan kann ich es mir noch nicht vorstellen, weil ich wahnsinnig gerne auf Tour bin, die dafür nötige Zeit und Energie hätte ich bei einer täglichen Sendung natürlich nicht mehr. Außerdem liebe ich es, dass ich nicht vom Fernsehen abhängig bin.