Friedensvertrag in Kolumbien beendet längsten Krieg Lateinamerikas
Steinmeier: Kolumbien beweist, dass Frieden möglich ist
Ein historischer Moment und zugleich der Beginn der eigentlichen Arbeit. So sieht Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos die Unterzeichung des Friedensvertrages mit der Farc-Guerilla. Entscheidend bleibt jedoch das ausstehende Votum der Bevölkerung.
26.09.2016
epd
Von Natalia Matter und Andreas Behn (epd)

Bogotá, Rio de Janeiro (epd). Mit der Unterzeichnung des Friedensabkommens für Kolumbien endet der längste bewaffnete Konflikt Lateinamerikas. Präsident Juan Manuel Santos und der Chef der Farc-Rebellen, Rodrigo Londoño Echeverri alias "Timochenko", sollten am Montagabend (Ortszeit) in der Karibikstadt Cartagena ihre Unterschriften unter den Vertrag setzen. Präsident Santos bezeichnete die feierliche Zeremonie als das eigentliche Ende des Kalten Krieges. Zugleich stehe Kolumbien vor enormen Herausforderungen. "Die Unterzeichnung ist lediglich das Ende des Konflikts, dann erst beginnt die harte Arbeit, unser Land wieder aufzubauen", sagte er in einem BBC-Interview.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) erklärte am Montag in Berlin, das Abkommen beweise, dass Frieden auch nach jahrzehntelangen Auseinandersetzungen möglich sei. "Und es macht Mut für andere auch unlösbar erscheinende gewaltsame Konflikte." Zum Ziel geführt hätten politischer Wille, Kompromissbereitschaft, diplomatische Beharrlichkeit und eine wache, engagierte Zivilgesellschaft.

Langer Krieg hat Werte und Prinzipien zerstört

Kolumbiens Präsident Santos sagte in dem am Montag ausgestrahlten BBC-Interview: "Ein Land, in dem während 50 Jahren Krieg herrscht, ist ein Land, das viele seiner Werte, Prinzipien und Sozialstrukturen zerstört hat." Es werde sehr lange dauern, bis sich die Gesellschaft davon erholt habe. In dem seit den 60er Jahren herrschenden Bürgerkrieg zwischen Regierung, mehreren Guerillagruppen und rechtsextremen Paramilitärs wurden mehr als 340.000 Menschen getötet und etwa sieben Millionen vertrieben.

Mit dem Friedensvertrag, der während dreieinhalb Jahren in Kubas Hauptstadt Havanna ausgehandelt wurde, verpflichtet sich Kolumbiens Regierung, einige der tiefgreifendsten Probleme des Landes anzugehen. So ist die Rückgabe von Land an die Millionen vertriebenen Bauern vereinbart. Der Landkonflikt führte 1964 zur Gründung der Farc ("Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens").

Viele Kolumbianer sehen in der Unterzeichung des Abkommens im Beisein zahlreicher Staats- und Regierungschefs einen historischen Moment. In vielen Städten des Landes wurden Leinwände aufgestellt, damit die Bevölkerung die Zeremonie gemeinsam erleben konnte. In Kraft tritt der Vertrag allerdings erst, wenn am Sonntag eine Mehrheit der Stimmberechtigten dem Abkommen zustimmt. Für den Tag hat die nach der Farc zweitgrößte Guerilla-Gruppe ELN eine Waffenpause angekündigt. ELN-Sprecher Pablo Beltrán sagte, als Beitrag zum Friedensprozess werde es "keine offensiven Aktionen" geben.

"Einen Plan B gibt es nicht"

Einen Plan B gebe es nicht, betonte Santos. Sollte das Abkommen im Referendum nicht angenommen werden, "gehen wir sechs Jahre zurück und führen wieder Krieg". Unermüdlich hat Santos in den vergangenen Jahren für seinen Weg geworben - auch aus wirtschaftlichen Erwägungen. Der Friedensvertrag werde die Wirtschaft ankurbeln, sagte er der BBC. "Wir hätten in den vergangenen 23 Jahren zwei und drei Prozent jährlich mehr wachsen können."

Auch wenn der Friedensvertrag in Kraft tritt, was jüngste Umfragen vermuten lassen, ist die Gewalt damit in Kolumbien nicht beendet. Zwar kündigte die ELN ("Nationale Befreiungsarmee") erneut eine Initiative für die Aufnahme von Friedensgesprächen an, doch die Kämpfe halten trotz mehrmonatiger Sondierungsgespräche an. Ein weiteres Problem sind die Nachfolgeorganisationen der paramilitärischen Todesschwadronen, die im Bürgerkrieg für Gräueltaten verantwortlich waren. Offiziell wurden sie vor etwa zehn Jahren entwaffnet, doch viele Gruppen haben sich neu gebildet und verbreiten weiter Angst und Schrecken.