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TV-Tipp: "Mein Sohn, der Klugscheißer" (ARD)
7.10., ARD, 20.15 Uhr: "Mein Sohn, der Klugscheißer"
Die Geschichte ist großartig: Debby (Alwara Höfels), Busfahrerin, alleinerziehende Mutter eines 13-Jährigen und eher schlicht gestrickt, hat schon lange geahnt, dass ihr Sohn Jerôme nicht bloß aufgeweckter ist als sie, sondern eine echte Intelligenzbestie. Als er in der Schule immer öfter Ärger bekommt, weil ihn der Unterricht langweilt und die Mitschüler ihn als Außenseiter mobben, muss er zu einer Psychologin (Barbara Philipp), die rasch erkennt, dass der Junge hochbegabt ist.

Heimkind Debbie versteht nur "Heim" und ist alarmiert. Jerôme wiederum ahnt, dass seine Mutter ohne ihn nicht klarkommt, also manipuliert er den Intelligenztest, denn die Alternative zur Regelschule wäre ein Internat, und das will er seiner Mutter nicht antun. Seine Probleme in der Schule sind damit allerdings nicht gelöst.

Die Handlung erinnert kräftig an Jodie Fosters Regiedebüt "Das Wunderkind Tate" (1991), aber die Geschichte ist stark variiert und außerdem hin- und mitreißend erzählt. Regisseurin Pia Strietmann hat das Drehbuch gemeinsam mit Lea Schmidbauer geschrieben, und tatsächlich erzählen die beiden Autorinnen eine eigene und neue Geschichte. Herausragend aber ist Strietmanns Umsetzung, allen voran ihre Arbeit mit den beiden Hauptdarstellern. Mit Alwara Höfels hat die Regisseurin schon in der ebenfalls im Auftrag der ARD-Tochter Degeto entstandenen Komödie "Sturköpfe" gearbeitet. Erneut beeindruckt Höfels durch die Natürlichkeit, mit der sie ihre Rollen verkörpert; gerade ganz normale einfache Menschen sind für viele Schauspieler eine echte Herausforderung. In diesem Fall hatten wohl auch Kostüm und Ausstattung großen Anteil daran, dass sie in der Rolle aufgehen konnte: Debbie, deren Röcke stets eine Spur zu kurz und deren Absätze gern sehr hoch sind, lebt in einer knallbunten Glitzerwelt. Star des Films aber ist Maximilian Ehrenreich, der schon als Titeldarsteller der Komödie "Simon sagt auf Wiedersehen zu seiner Vorhaut" grandios war und hier erneut komplizierteste Dialogsätze von sich gibt, ohne mit der Wimper zu zucken. Seine Verkörperung dieses Jungen, der nicht nur intelligenter, sondern auch erwachsener ist als seine Mutter, ist verblüffend imposant.

Umso wichtiger war die Basis eines Drehbuchs, das die Schauspieler mit glaubwürdigen Situationen und Dialogen versorgt. Mit dramaturgischem Geschick haben die Autorinnen den beiden Hauptrollen daher zwei Nebenfiguren zur Seite gestellt: Debbie hat über eine Internet-Partnervermittlung Marco (Adam Bousdoukos) kennengelernt, der angeblich perfekt zu ihr passt und sogar mit Jerôme klarkommt. Der Titel "Mein Sohn, der Klugscheißer" ist zwar reichlich ranschmeißerisch, aber zutreffend: Der Junge kann eine unerträgliche Nervensäge sein, weil er tatsächlich alles besser weiß und noch nicht gelernt hat, dass die Menschen nur ungern ständig auf ihre Fehler hingewiesen werden. Marco tut Debbie gut; bis er versucht, sie zu überzeugen, dass sie Jerôme loslassen muss. Der wiederum schließt eine ungewöhnliche Freundschaft mit Said (Zoran Pingel), einem Koloss, der ihm beibringt, wie echte Kerle einen coolen Auftritt hinlegen. Said beschützt ihn nicht nur vor den anderen Jungs, er sorgt auch dafür, dass Jerôme beim Baseball mitspielen darf. Er wäre ein genialer Schlagmann, weil er genau weiß, wohin die Bälle fliegen werden; leider gelingt es ihm nie, die Theorie in die Praxis umzusetzen.

Komödie mit nachdenklichen Szenen

Es sind vor allem solche Einfälle, die dafür sorgen, dass die Komödie, die durchaus auch nachdenkliche Szenen enthält, so lebensnah wirkt. Hier zeigt sich die Liebe zum Detail auch in der Bildgestaltung: Wenn Jerôme den Werfer fixiert, ist der im Nu von einer Vielzahl von Formeln umgeben. Ähnlich souverän geht Strietmann mit SMS-Nachrichten um, die nicht vorgelesen, sondern eingeblendet werden. Und dann gibt es noch verblüffende Momente wie die Idee, Marco so vor einer Fototapete zu platzieren, dass sich sein entsprechend bedrucktes T-Shirt perfekt in das Bild integriert; ein kleiner Hinweis darauf, wie gut der gutmütige Kindskopf zu Debby passt. Noch schöner sind nur witzige Handlungsideen wie jene, als Debby glaubt, ihrem Sohn mehr Kultur angedeihen lassen zu müssen, und ihn ausgerechnet zu "Starlight Express" schleppt.