Kirche und Häuser aus unbehandeltem Holz.
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Wer ist Kirche?
Erstmals ringen bundesweit vereinigte Gemeindebünde um eine Strategie für eine "Kirche der Reformation". Ihr Vorwurf an die Akteure des EKD-Reformprozesses lautet, dass sie das traditionelle Verständnis von Gemeinde außer Acht lassen und sich selbst zur Kirche aufschwingen.

Altenkirchen ist nicht wirklich bequem zu erreichen. Es gibt keine direkte Autobahn-Anbindung, nur Bundes- und Landesstraßen, die mit allerlei Verkehrskreiseln und Tempobegrenzungen Geduld abfordern. Der Anfahrtsweg kann damit symbolisch für den Aufwand stehen, den die Teilnehmer des ersten Treffens der Gemeindebünde mit bundesweitem Radius auf sich genommen haben.

Auf dem Weg zum Strategietreffen für eine Erneuerung der Evangelischen Kirche hatte es mentale Schwellen und persönliche Anfeindungen von Seiten des Kirchenestablishments zu überstehen gegeben. 20 Vertreter dieses Netzwerks aus den Gemeinden, aus Nordkirche, Bayern, Berlin-Brandenburg-schlesische-Oberlausitz und der Evangelischen Kirche im Rheinland, haben sich für zwei Tage in der Landesjugendakademie der Kreisstadt im Westerwald eingefunden.

"Der Gemeinde den ihr gebührenden Platz lassen"

Ihr Ziel: "Widerstand" gegen den 2006 eingeleiteten Reformprozess der EKD. Denn dieser sei zu Lasten der Eigenständigkeit der Ortsgemeinden und der dort verankerten "Beheimatung" der Gläubigen gegangen. Sie protestieren "gegen die Hierarchisierung, Zentralisierung und Ökonomisierung der Kirche" und wollen ein Bewusstsein für eine Rückbesinnung auf den theologischen Kern schaffen.

Es brodelt in dem Konferenzraum unter dem spitzgiebeligen Holzdach. In Bayern, berichten Vertreter des dortigen Gemeindebundes, sei in der Auseinandersetzung mit der Kirchenhierarchie um die Stärkung der kirchlichen Basis ein "Klima der Angst und Feigheit" entstanden. Einmal fällt auch das Wort von der "außerparlamentarischen Opposition", in die man sich vergleichbar der politischen Entwicklung im Gefolge der Studentenbewegung gedrängt fühle. Vertreter aus dem Norden bestätigen diese Erfahrung. Dem Konzept "Gemeinde im Aufwind" werde mit Druck, selbst Mobbing begegnet. "Es kommt jetzt darauf an", stellt Gerhard Schoenauer aus Pegnitz heraus, "der Gemeinde als Trägerin der Wortverkündung den gebührenden Platz zu lassen." Unter diesem Ziel wolle man Mitstreiter versammeln. Kirchensteuermittel müssten wirksam dafür eingesetzt werden, die Stellung der Ortsgemeinden in der Landeskirche zu verbessern und ihnen in den Organen der Kirchenleitung mehr Gehör zu verschaffen.

Der Berliner Rechtsanwalt Georg Hoffmann und Vorsitzende des Gemeindebundes verweist auf die Gefahren, die den Ortsgemeinden durch den Verlust ihres Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts drohen könnten, wenn sie mit anderen Gemeinden fusioniert werden. Hoffmann plädiert für eine "konsequente Anwendung des Subsidiaritätsprinzips. Alle Ämter und Gremien auf regionaler oder landeskirchlicher Ebene sind weder selbst Gemeinde noch deren Repräsentanten, sondern Institutionen zur Beschaffung der materiellen und personellen Bedürfnisse der Gemeinden und zur Wahrnehmung übergemeindlicher Aufgaben."

"Theologischer Konflikt" zwischen EKD und Gemeindebünden

Andreas Reinhold aus Oberhausen, der Hauptinitiator des Treffens, verdeutlicht die Stoßrichtung des oppositionellen Bündnisses anhand der Programmatik von "KirchenBunt". Der Verein zur Förderung der kirchlichen Basis innerhalb der Evangelischen Kirche im Rheinland wolle der vorherrschenden "TopDown-Strategie" ein basisorientiertes Denken und Handeln entgegensetzen. "Insbesondere", betont der IT-Unternehmer und Pastor im Ehrenamt, "wenden wir uns gegen eine weitere Kompetenzverlagerung von den Presbyterien zu den übergemeindlichen Ebenen und gegen eine primär finanzorientierte Bewertung kirchlicher Arbeitsfelder."

Was ist Kirche im protestantischen Verständnis heute? Was – an der Schwelle zum Lutherjahr – ihre eigentliche, womöglich neu zu belebende Aufgabe? Die Altenkirchener Diskussionen kristallisieren ein Thema heraus, unter dem sich die Bündnisse für eine "Kirche der Reformation" aufstellen. Nach biblischem und protestantischem Verständnis sei Kirche die Gemeinschaft der Glaubenden, sagt die evangelische Theologin Gisela Kittel. Diese Kirche sei in jeder einzelnen Gemeinde präsent, die sich um das Wort Christi und seine Sakramente versammele. Dieses traditionelle Verständnis von Kirche unterscheide sich dabei gravierend von dem, das dem Denken der Akteure des EKD-Reformprozesses zu Grunde liege. In diesen auseinanderdriftenden Anschauungen von Kirche manifestiere sich der theologische Konflikt zwischen den EKD-Akteuren und dem Bündnis für eine "Kirche der Reformation".

Ein Fehdehandschuh? Die aktuelle Buchveröffentlichung "Kirche der Reformation?" verspricht jedenfalls Nahrung für deftige Kampagnen. Theologin Kittel hat sie zusammen mit dem Theologen Eberhard Mechels als einen Kompass der "Schritte in eine andere Richtung" herausgegeben. Das Buch soll in der Öffentlichkeitsarbeit des Bündnisses eine zentrale Rolle spielen.

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"Futter" in Form von Daten für die so reklamierte Schlüsselrolle der Ortsgemeinde und insbesondere der in ihr tätigen Haupt- und Ehrenamtlichen liefert Gerhard Wegner aus Hannover, Direktor des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD. Seine Auswahl von Befunden aus der fünften Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung der EKD (KMU V) zum "Resonanzfeld Kirchengemeinde" eröffne folgenden Handlungsansatz: Die Kirche, gibt Wegner zu bedenken, sei auf Grund der gravierenden Trends zwar nicht mehr wie bisher "die Kirche der Gesellschaft, sondern eine Kirche in der Gesellschaft". Doch repräsentiere sie mit 45 Prozent ihrer Mitglieder, die als Hochmotivierte in kirchlichen und religiösen Angelegenheiten einzustufen seien, ein Zukunftspotential. "Drei Millionen Menschen mit engen Bindungen und weitere zehn Millionen Menschen mit Interesse an der Kirche bilden nicht ein Ideal-, aber ein Realbild von Kirche." Vielversprechend – so der Kirchensoziologe – sei es daher, kirchliche Kommunikationsstrategien mit dem Ziel der Stabilisierung dieser Verbundenheit stärker auf diese auszurichten und nicht auf kirchlich Distanzierte oder Konfessionslose.

Wegners Maxime, die Gruppe der 45 Prozent kommunikativ wohl Erreichbaren in ihrer Haltung zu bestärken, sie "sprachfähiger" zu machen, erreicht die Gemeindebünde. Um ihre Basis für die nächsten Aktionen zu verbreitern, haben sie in Altenkirchen einen Katalog an Kommunikationsprojekten beschlossen. So soll eine Online-Zeitschrift herausgegeben werden, zudem eine Sonderausgabe im Printformat, die zweimonatlich erscheint. Für den 2. April 2017 (Sonntag Judika) ist eine landesweite Aktion "Thesenanschlag" in möglichst vielen Kirchengemeinden geplant. Zur exakt gleichen Uhrzeit sollen dazu Thesen der Gemeindebünde enthüllt werden. Außerdem wollen sie mit einem gemeinsamen Informationsstand auf dem Kirchentag 2017 für ihre Ziele werben.

Einen weiteren Schuss Symbolik gibt es, als sich Wegner aus der Runde verabschiedet. Reinhold dankt ihm mit einem in der eigenen Gemeinde gewonnenen Glas Bienenhonig. Er habe sich dabei für "die hellere Variante entschieden, weil wir uns für unsere Anliegen mehr Transparenz wünschen". Die Teilnehmer quittieren dieses Credo mit Beifall. Mehr Transparenz auf beiden Seiten wäre gewiss förderlich. Die Gemeindebünde, versichert der Sprecher von "KirchenBunt", seien jederzeit zu einem kritischen Dialog auf allen Ebenen bereit. Man stehe für einen ehrlich geführten Austausch von Argumenten und Positionen.