Klimaexperten fordern Vorsorge gegen Sturzfluten
Bilder der Zerstörung durch Sturzfluten könnten auch in Deutschland bald öfter zu sehen sein. Das sagen Klimaforscher voraus. Dagegen sollen sich jetzt die Kommunen wappnen.
12.09.2016
epd
Von Lukas Philippi (epd)

Berlin (epd). Die Überschwemmungen des Frühsommers in Deutschland sind Experten zufolge Vorboten für ähnliche Wetterkapriolen in den kommenden Jahren. Projektionen von Klimamodellen ließen "eine Zunahme solcher starkregenauslösenden Wetterlagen für die Zukunft vermuten", sagte der Vizepräsident des Deutschen Wetterdienstes, Paul Becker, am Montag in Berlin. "Darauf müssen wir uns mit noch besseren Wettervorhersagen, mehr Eigenvorsorge der Bürger und einer neuen Kultur im Umgang mit Naturgefahren vorbereiten."

Die Präsidentin des Umweltbundesamtes (UBA), Maria Krautzberger, unterstrich, der Sommer 2016 habe gezeigt, dass die Anpassung an den Klimawandel immer wichtiger werde. Dazu gehörten neben einer besseren Warnung der Bevölkerung und hochaufgelösten Risikokarten für extreme Niederschläge auch Investitionen in die Vorsorge. Ziel müsse es sein, die Folgen des Klimawandels bereits bei der Stadtplanung zu berücksichtigen. "Das heißt zum Beispiel, Städte so zu gestalten, dass Wasser ohne Schäden abfließen kann - sei es über begrünte Dächer oder öffentliche Plätze, die kurzfristig geflutet werden können."

Doppelstrategie gefordert

Die zurückliegenden Ereignisse zeigten, wie wichtig eine Doppelstrategie in der Klimapolitik sei, betonte Krautzberger: Übergreifende Klimaschutzmaßnahmen weltweit, um die Ursachen des Klimawandels zu bekämpfen, und "Anpassung an den nicht mehr vermeidbaren Klimawandel".

Becker vom Deutschen Wetterdienst sagte, die im Frühsommer vor allem im Süden und Westen Deutschlands erlebten Sturzfluten könnten einen Vorgeschmack auf die Sommer in einer zukünftig wärmeren Welt geben. Die lokalen Starkregenereignisse hätten eine Zerstörungswucht entfaltet, die kaum für möglich gehalten wurde. "Sie können an jedem Ort in Deutschland eintreten", unterstrich Becker.

Klimaexperten gehen aktuell global vom wärmsten Sommer und unter Umständen sogar vom wärmsten Jahr seit 1880 aus, unter anderem wegen der Klimaphänomens El Niño. Verglichen mit den Wetterbeobachtungen zwischen 1961 und 1990 sei der diesjährige Sommer in Deutschland und Mitteleuropa dagegen nur geringfügig zu warm gewesen. "Auch die durchschnittlichen Niederschlagssummen waren im Land unauffällig."

"Schwammstadt" zur Vorbeugung

Das galt nicht etwa für das bayrische Simbach Ende Mai. Hier fielen bei heftigen Gewittern mit 180 Liter pro Quadratmeter innerhalb von nur 48 Stunden extreme Regenmengen mit katastrophalen Folgen für den Ort, unterstrich Becker. Verantwortlich hierfür war den Angaben zufolge die außergewöhnlich langanhaltende Großwetterlage "Tief Mitteleuropa". Diese Wetterlage herrschte zwischen Ende Mai und Anfang Juni an zehn von 14 Tagen, und - "was noch außergewöhnlicher ist" - an sieben aufeinanderfolgenden Tagen.

Krautzberger bemängelte, die Starkregenkartierung Deutschlands stehe erst am Anfang. Die Stadt Unna (Nordrhein-Westfalen) sei eine der wenigen Städte, die bereits über eine solche Starkregengefahrenkarte verfüge. Sie zeige die Fließwege und Überflutungen, die durch sehr intensiven Regen entstehen. Die Informationen schafften die Basis für sinnvolle eigene Vorsorgemaßnahmen, wie beispielsweise eine bessere Kellerabdichtung.

Eine "wassersensible Stadtentwicklung" plane bewusst Zwischenspeicher für plötzlich auftretende Wassermassen ein und fördere durch entsiegelte Freiflächen die Versickerung von Regenwasser, sagte Krautzberger weiter. Eine solche "Schwammstadt" beuge Sturzfluten oder Überschwemmungen vor. Ein Beispiel dafür sei die Hamburger Gründachstrategie. In der Hansestadt sollten Gründächer den Abfluss von Regenwasser verzögern und sorgen zugleich für ein gesünderes Stadtklima, mehr Artenvielfalt und eine höhere Lebensqualität, zeigte sich die UBA-Chefin überzeugt.