Berlin (epd). Spitzenrepräsentanten des Staates und der Politik, Angehörige und Weggefährten haben am Mittwoch in Berlin Abschied vom früheren Bundespräsidenten Walter Scheel genommen. Bei einem Staatsakt in der Berliner Philharmonie würdigte Bundespräsident Joachim Gauck den verstorbenen FDP-Politiker als "Glücksfall für unser Land". Die Redner hoben vor allem die Bemühungen Scheels in der Entspannungspolitik zwischen Ost und West hervor. Der Altbundespräsident war am 24. August im Alter von 97 Jahren gestorben.
Erster Entwicklungsminister
Scheel stand von 1974 bis 1979 als Präsident an der Staatsspitze. Von 1961 bis 1966 war Scheel der erste Entwicklungsminister in der Bundesrepublik, ab 1969 Außenminister in der sozialliberalen Koalition.
Gauck sagte, Scheel habe in entscheidenden Momenten Richtung gegeben und der Demokratie Ordnung verliehen. Sein Mut und sein Geschick als Außenminister verdienten in der Rückschau tiefen Respekt, sagte er mit Blick auf die Politik gegenüber den osteuropäischen Staaten.
Scheel sei ein Wegbereiter der deutschen Ostpolitik gewesen, sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Damals hätten nur wenige an die Kraft dieser Politik geglaubt, die in der Einheit Europas mündete. Auch der frühere FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Gerhardt betonte, der Zwei-plus-Vier-Vertrag, der die Grundlage für die Wiedervereinigung Deutschlands bildete, habe am Ende der Verhandlungen gestanden, die bereits Scheel als Außenminister begonnen habe.
Liberalismus als Haltung
Das Amt des Bundespräsidenten habe Scheel in schwieriger Zeit ausgeübt, erinnerte Gauck. "Gerade als die Freiheit bedroht ist, zeigt Walter Scheel, was er unter Liberalität versteht. Und er beschwört den Geist der Freiheit als Geist des Maßes und des Ausgleichs", sagte er mit Blick auf den Terror der Roten Armee Fraktion (RAF). Liberalismus sei für Scheel eine Haltung gewesen, sagte Gerhardt, der Vorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit ist.
Die Redner erinnerten auch an Scheels persönliche Seiten, seinen "feinsinnigen Humor", wie Steinmeier formulierte. Gauck sagte, Scheel habe das Amt des Präsidenten "mit entspannter Fröhlichkeit und lockerer Weltläufigkeit, mit Mühelosigkeit und Unbeschwertheit" ausgeübt. Gelassenheit sei ein Ausweis der Souveränität Walter Scheels gewesen. "Einer, der singt, Volkslieder, und das noch öffentlich, der ist ja deshalb kein Leichtgewicht", sagte das amtierende Staatsoberhaupt.
Ungewöhnliche Prominenz
Für einen Politiker hatte der gebürtige Solinger Scheel ungewöhnliche Prominenz erlangt, als er 1973 für die Aktion Sorgenkind das Lied "Hoch auf dem Gelben Wagen" auf Schallplatte eingesungen hatte. Allein bis zum Frühjahr 1974 wurde die Platte mehr als 300.000 Mal verkauft. Auch das Zeremoniell am Mittwoch erinnerte daran: Als besondere Würdigung spielte das Stabsmusikkorps der Bundeswehr bei Abfahrt des Trauerwagens das Volkslied. Scheels Witwe Barbara und weitere Trauergäste stimmten den Liedtext an.
Der evangelische Christ Scheel war Vater von vier Kindern und dreimal verheiratet. Seine zweite Frau Mildred rief die Deutsche Krebshilfe ins Leben, sie starb 1985. 1988 heiratete Scheel Barbara Wiese. Der Altbundespräsident sollte am Mittwochnachmittag nach einem Gottesdienst in Berlin-Zehlendorf im engsten Familienkreis beigesetzt werden.