Am 29. August 2016 gibt es nun den für viele lang ersehnten Grund zum Aufatmen. Denn es wird der erste Spatenstich am Zehlendorfer Damm in Kleinmachnow vollzogen. "Jetzt sind wir endlich an dem Punkt, an dem das Projekt realisiert wird", freut sich Pfarrerin Elke Rosenthal. Viele hätten schon nicht mehr daran geglaubt. Der Neubau ist als Gemeindehaus mit Kirchsaal geplant. "Trotzdem nennen wir es unsere neue Kirche", erzählt sie weiter. Der Entwurf stammt von den Architekten Löffler und Kühn aus Berlin. Er besteht aus einem lang gestreckten Klinkerbau, der optisch einem historischen Stallgebäude nachempfunden wird, das früher an dieser Stelle stand. Im Inneren sind ein Saal mit 400 Plätzen, Büros, Gemeinderäume und reichlich Platz für die Bereiche Jugend, Seelsorge und die Kantorei geplant. Die Einweihung soll im Frühjahr 2018 sein.
Mit einer Handbewegung zeigt die Pfarrerin, wo die "neue Kirche" in Zukunft einmal stehen soll. Dabei schiebt sie ihre Brille energisch nach oben, als wolle sie sich noch einmal vergewissern, ob die Bauarbeiten auch tatsächlich starten. Dann lächelt sie. Es ist so ein erleichtertes Lächeln, als ob ihr eine Last von der Seele weicht. Und das stimmt auch. Denn in den letzten Jahren wurde der Platzmangel für die Gemeinde zur logistischen und teuren Herausforderung.
Kleinmachnow zieht evangelische Familien an
Die beiden eigentlichen Kirchen, die Auferstehungskirche am Jägerstieg und die Dorfkirche am Zehlendorfer Damm mit jeweils rund 230 Plätzen waren zu klein geworden. Bei größeren Veranstaltungen mussten Säle gemietet werden, etwa im Rathaus, in einer Schule oder im Altenheim. "Wir fühlten uns wie das Volk Israel bei ihrer Wanderung durch die Wüste", vergleicht es die Pfarrerin. Besonders schwierig sei es Weihnachten gewesen: mit zehn Gottesdiensten an vier Standorten. "Weihnachtliche Stimmung kam da kaum auf", gesteht sie. Und mit der Identifikation zu einer Kirche als christliche Heimstätte habe das schon gar nichts zu tun.
Doch worin liegt das Geheimnis, dass die Gemeinde derart wächst? Zum Beispiel gibt es hier derzeit 230 Konfirmanden und 450 Menschen singen in fünf verschiedenen Chören. Der Grund: Kleinmachnow grenzt im Berliner Südwesten unmittelbar an die Bundeshauptstadt. Nach dem Fall der Mauer und später nach dem Umzug der Bundesregierung von Bonn nach Berlin zog es viele Menschen ins Umland. Vor allem Familien kamen, darunter viele Protestanten. Aus dem beschaulichen Ort entwickelte sich eine 20.000-Seelen-Gemeinde. Inzwischen sind nur noch etwa 20 Prozent der Einwohner alteingesessene Kleinmachnower.
Doch zurück zum Neubauprojekt: Bislang ist hier auf der Baustelle wenig zu sehen; überwiegend Sand, der für diese märkische Region typisch ist. Und einige tiefe Löcher sowie freigelegte mittelalterliche Fundamente. Das sind Reste archäologischer Grabungen, die erst kürzlich abgeschlossen wurden. "Denn der Neubau wird auf einem historischen Stück Land, einem so genannten Bodendenkmal, errichtet", sagt Cornelia Behm, Vorsitzende des Gemeindekirchenrates.
Von hier aus habe sich der Ort seinerzeit entwickelt. Hier im mittelalterliche Dorfkern habe ein Gutshof gestanden, von dem drei Gebäudeteile erhalten geblieben sind: eine Mühle, das Eingangstor und die alte Dorfkirche. Doch auch schon weit vor dieser Zeit müssen Menschen hier gelebt haben. Denn die Archäologen fanden unter anderem Scherben, die rund 2500 Jahre alt sind.
Die Dorfkirche, von einigen liebevoll "alte Dame" genannt, bildet das Herzstück der Gemeinde. Beim Rundgang wird schnell klar, wie intensiv sich die Kleinmachnower mit dem spätmittelalterlichen Bau identifizieren. "Sie gilt als eine der ersten protestantische Kirchen in Brandenburg und wurde 1597 eingeweiht", schildert Cornelia Behm. In ihrer Stimme schwingt dabei soviel Stolz mit, wie man es sich bei einer evangelischen Christin nur denken kann.
Wenn bald der Kirchenneubau auf dem benachbarten Grundstück steht, soll die Dorfkirche nicht ins Hintertreffen geraten. Im Gegenteil. Sie werde an Bedeutung gewinnen. Hier soll ein lebendiges Gemeindezentrum entstehen; mit einem Dreiklang aus dem Neubau, der Dorfkirche und der historischen Schule auf der anderen Straßenseite, die auch zur Gemeinde gehört. Elke Rosenthal formuliert es so: "Die alte Dame bekommt eine jüngere Schwester."
Doch der Weg bis zu dem ersten Spatenstich sei mühsam gewesen. Bereits 2003 habe man sich mit dem Gedanken einer neuen Kirche getragen. Bürokratische Hürden und Uneinigkeiten in der Gemeinde erschwerten den Prozess. Zudem sei es nicht leicht gewesen, in der Öffentlichkeit für Verständnis zu werben. Vielerorts schlössen Kirchen, hier jedoch brauche man mehr Platz. Eine ambivalente Situation. In dieser Zeit gab es viele Diskussionen.
Gemeinde erkämpfte sich den Neubau
Konkret wurde es zum ersten Mal im Jahr 2008, als die Evangelische Landeskirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz mit der Kirchengemeinde Kleinmachnow einen städtebaulichen Wettbewerb ausrief. Diverse Standorte wurden geprüft. Letztlich entschied man sich für denselben historischen Ort, wo einst der Gutshof stand. Bauplatz sollte ein Grundstück werden, auf dem früher die Scheune stand. "Das Umweltministerium des Landes Brandenburg machte uns aber einen Strich durch die Rechnung", erinnert sich Rosenthal. Weil dort ein Landschaftsschutzgebiet ist, sei das Grundstück nicht freigegeben worden. Die Enttäuschung saß tief, viel Arbeit war umsonst, Geld bereits ausgegeben.
Dennoch ließ sich die Gemeinde nicht entmutigen und unternahm 2012 einen weiteren Anlauf. Wieder galt es, verschiedene Standorte abzuwägen. Nachdem die üblichen bürokratischen Hürden erfolgreich genommen waren, fiel die Entscheidung zuletzt auf den heutigen, lang gestreckten Bauplatz direkt an der Straße. Ende gut, alles gut?
Nicht ganz, denn das Projekt will auch finanziert werden. Die Kosten liegen bei etwa 3,5 Millionen Euro. "Wir freuen uns natürlich über Spenden", sagt die Gemeindekirchenrats-Vorsitzende. Einen Teil bezahlten zwar die Landeskirche und der Kirchenkreis Teltow-Zehlendorf. Den Löwenanteil trage jedoch die Kirchengemeinde selbst.
Eine Geldquelle wird der Verkauf der Auferstehungskirche am Jägerstieg sein. Der DDR-Bau aus den 1950er Jahren, ein Saal mit kleinem Kirchturm und einem Gemeindehaus, war seinerzeit als Provisorium konzipiert und wurde nie erweitert. Obwohl die Kirche schon lange nicht mehr den Bedürfnissen der Gemeinde entspricht, hängen viele an dem Gebäude - ist es für sie doch eine lieb gewonnene christliche Heimat.
Der Verkauf wird demnach schmerzlich. "Das eine ist das Gefühl, das andere der Verstand", versucht Cornelia Behm klar zu machen. "Ich finde es richtig, dass wir vorher etwas abgeben, um dann etwas Neues zu schaffen."