Berlin (epd). Der ehemalige Bundespräsident Walter Scheel ist tot. Er starb im Alter von 97 Jahren, wie das Präsidialamt am Mittwoch in Berlin mitteilte. Scheel bekleidete von 1974 bis 1979 das höchste Amt der Bundesrepublik. Der amtierende Bundespräsident Joachim Gauck und viele andere Bundespolitiker nahmen die Nachricht von seinem Tod mit Trauer auf.
Bleibende Verdienste für Europa
Der FDP-Politiker hatte seine politische Laufbahn in Nordrhein-Westfalen begonnen. Von 1961 bis 1966 war er der erste Entwicklungsminister in der Bundesrepublik, ab 1969 Außenminister in der sozialliberalen Koalition. "Schon früh hat er die Bedeutung einer europäischen Integrationspolitik für unser Land erkannt", schrieb der amtierende Bundespräsident Joachim Gauck in einer Kondolenz an Scheels Witwe Barbara. Mit seiner Ost- und Europapolitik habe er sich bleibende Verdienste erworben.
Als Bundespräsident habe sich Scheel in "einer Zeit schwerer innenpolitischer Bedrohungen" maßgeblich dafür eingesetzt, "dass Rechtsstaat und freiheitliche Demokratie nicht vor ihren Gegnern kapitulierten". Im sogenannten Deutschen Herbst 1977 hatte der Terror der Rote Armee Fraktion (RAF) seinen Höhepunkt in Deutschland.
Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) würdigte Scheel als einen "Politiker von Format", der zunächst als Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit als auch Außenminister der "Neuen Ostpolitik" hohes Ansehen genoss. Als Bundespräsident sei er zudem in der Bevölkerung sehr beliebt gewesen. "Walter Scheel war ein Menschenfreund, ein glänzender Redner, weltgewandt, optimistisch, humorvoll und volksnah", erklärte Lammert.
"Autorität und Würde"
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) würdigte Scheel als eine der angesehensten Persönlichkeiten des Landes. "Mit seinem Engagement für die Bürger, seinem Gespür für die Bedeutung eines geeinten Europas und seinem Eintreten für Frieden und Demokratie hat er sich ein bleibendes Andenken bei den Menschen in unserem Land erworben", erklärte Merkel, die am Donnerstag zu politischen Gesprächen in Tallinn weilte. Walter Scheel habe sein Amt mit "natürlicher Autorität und Würde" ausgefüllt.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) nannte Scheel "eine große Figur der ersten Jahrzehnte der jungen Bundesrepublik". Er habe die Außenpolitik während der deutsch-deutschen Teilung "ganz maßgeblich geprägt" und sich als ein "Wegbereiter der deutschen Ostpolitik" verdient gemacht. "Die von Walter Scheel mit ausgehandelten und mit verantworteten Vereinbarung mit der Sowjetunion, mit Polen und die anderen Ostverträge sind historische Wegmarken der deutschen Entspannungspolitik, hin zur deutschen Wiedervereinigung und der Überwindung der Teilung Europas", betonte Steinmeier.
Bundesratspräsident Stanislaw Tillich (CDU) würdigte auch Scheels Engagement nach seiner aktiven politischen Zeit. Er sei ein "überzeugter und überzeugender Europäer und deutscher Weltbürger" gewesen und habe sich für internationale Belange genauso engagiert wie für Kunst und Kultur, sagte Tillich, der zugleich Sachsens Ministerpräsident ist.
"Deutscher Weltbürger"
Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, nannte den Altbundespräsidenten einen "engagierten, lebensfrohen und visionären Politiker". "Sein liberaler Geist war ihm dabei Wegweisung", sagte Marx. Die von Scheel eingeleitete "Entspannungspolitik" zum Osten in der Ära von Bundeskanzler Willy Brandt sei jener Schritt gewesen, um alte Gräben zu überwinden und ein dauerhaft friedvolles Europa aufzubauen.
Der evangelische Christ Scheel war Vater von vier Kindern und dreimal verheiratet. Seine zweite Frau Mildred rief die Deutsche Krebshilfe ins Leben, sie starb 1985. 1988 heiratete Scheel Barbara Wiese. Für einen Politiker ungewöhnliche Prominenz erlangte der gebürtige Solinger Scheel, als er 1973 für die Aktion Sorgenkind das Lied "Hoch auf dem Gelben Wagen" auf Schallplatte sang. Allein bis zum Frühjahr 1974 wurde die Platte mehr als 300.000 Mal verkauft.