Schon die Eingangsidee ist großartig, und Fritz Wepper haucht ihr mit viel Selbstironie Leben ein: Schauspieler Peter Lindburg, Urgestein unter den deutschen Fernsehkommissaren, hält sich nach Hunderten von "Blaulicht"-Folgen für unantastbar. Und dann tritt das Undenkbare ein, die Serie wird abgesetzt: "viele Tote, keine Quote." Wepper, der in den ZDF-Serien "Der Kommissar" und "Derrick" fast dreißig Jahre lang den Assistenten Harry Klein gespielt hat, kann so eine Rolle natürlich glaubwürdiger als jeder andere verkörpern. Aber der Rausschmiss ist bloß der Einstieg in eine Geschichte (Drehbuch: Marie Reiners, Sylke Lorenz), die Lindburgs Demontage auf die Spitze treibt: In seine thüringische Heimatstadt zurückgekehrt, um dort ein Drehbuch zu schreiben und das Comeback in die eigene Hand zu nehmen, beobachtet Lindburg, wie eine alte Frau erschlagen wird. Weil alle denken, er sei überspannt oder versuche auf geschmacklose Weise, in die Schlagzeilen zu kommen, und ihm daher niemand glaubt, schlüpft der Schauspieler in seine Rolle als Kriminalist. Erfahrung hat er ja genug, und für die Fußarbeit rekrutiert er kurzerhand seinen Serienpartner Conny (Bernd Michael Lade). Endlich kann er sein Markenzeichen, "Da stimmt was nicht", auch im wahren Leben sagen.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Die Handlung ist nicht gerade dynamisch erzählt, da hat Franziska Meyer-Price ("Doctor’s Diary", "Undercover Love") schon ganz anderes Tempo vorgelegt. Aber der Film lebt ohnehin vom Spiel mit Lindburgs Vorgeschichte, weil der "Kriminalist" immer wieder auf seine Erfahrungen als Kommissar Kämpfer zurückgreifen kann und dem regelmäßig beeindruckten Conny erklärt, welcher Serienfolge er seinen jüngsten Geistesblitz verdankt. Das mag als Einfall nicht völlig neu sein, ist aber immer wieder schön umgesetzt. Der Fall dagegen ist dermaßen an den Haaren herbeigezogen, dass er anderswo höchst unglaubwürdig wirken würde. Hier aber erhöht das Spektakel noch die Fallhöhe des Schauspielers: Er legt sich mit keinem geringerem als dem örtlichen Staatsanwalt an. Den verkniffenen Antagonisten verkörpert Francis Fulton-Smith; er und Wepper passten schon in "Baby frei Haus" (gleichfalls von Meyer-Price) prima zusammen.
Ergänzt werden die beiden Gegenspieler um diverse Nebenfiguren, die das Reihenpotenzial des Ensembles verdeutlichen, etwa Saskia Vester als Lindburgs ledige Jugendfreundin oder Elisabeth Lanz als echte Kommissarin, auch wenn ihr österreichischer Zungenschlag im tiefen Thüringen etwas irritiert. Die neben Wepper und Lade schönste Rolle spielt allerdings Barbara Schöneberger als Moderatorin eines Klatschmagazins, die Lindburg stets dicht auf den Fersen ist. Die Figuren, die Schauspieler und die vielen hübschen Einfälle am Rand der Handlung machen "Lindburgs Fall" zu einer amüsanten Krimikomödie, die leider ohne Fortsetzung geblieben ist.