Berlin (epd). Während Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) das EU-Türkei-Flüchtlingsabkommen verteidigt, äußern Opposition und Menschenrechtler harsche Kritik. "Dass die Bundesregierung allen Umständen zum Trotz am Flüchtlingsdeal mit der Türkei festhält, ist zynisch", sagte Luise Amtsberg von den Grünen im Bundestag am Freitag in Berlin. Auch Menschenrechtsorganisationen nannten die Entwicklung in der Türkei besorgniserregend.
Grüne kritisieren Erdogan
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan schaffe "mit seiner autoritären Politik und dem brutalen Vorgehen gegenüber Oppositionellen und Minderheiten selbst täglich neue Fluchtgründe", sagte Amtsberg, die Sprecherin ihrer Fraktion für Flüchtlingspolitik ist.
Zuvor hatte Kanzleramtsminister Altmaier das EU-Türkei-Flüchtlingsabkommen verteidigt. Die Bundesregierung werde weiterhin daran festhalten, sagte er der "Berliner-Zeitung" (Freitagsausgabe). "Es gibt keinen Grund für einen Plan B", erklärte Altmaier. Es gebe auch "keinen Anhaltspunkt", dass die Flüchtlinge in der Türkei schlecht behandelt würden. Vielmehr habe die Türkei Syrern eine Arbeitserlaubnis erteilt. Derzeit vollziehe sich alles so, wie es nach dem Abkommen sein soll, sagte der CDU-Politiker.
Schlechte Behandlung von Flüchtlingen
Amtsberg hingegen nannte Altmaiers Aussagen "schlichtweg unfassbar". Es sei nicht verständlich, dass ihm keine Anhaltspunkte für eine schlechte Behandlung der Flüchtlinge vorlägen. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International berichteten seit Monaten darüber, dass die Türkei Flüchtlinge weiterhin illegal nach Syrien und in den Irak zurückschiebe und teilweise auf sie schieße, erklärte die Grünen-Politikerin.
Zuletzt hatte auch die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler (SPD), die Vereinbarung zwischen der EU und der Türkei infrage gestellt. Das Abkommen setze Rechtsstaatlichkeit auf allen Seiten voraus. In der Türkei sei diese zurzeit aber nicht gegeben, sagte Kofler.
Pro Asyl: Altmaier "weltfremd"
Dieser Einschätzung schlossen sich auch Menschenrechtsorganisationen an. Der Europareferent von Pro Asyl, Karl Kopp, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), die Äußerungen Altmaiers seien "weltfremd". Seit dem Putschversuch gelte in der Türkei der Ausnahmezustand. Viele Basisrechte seien selbst für die eigenen Staatsangehörigen außer Kraft gesetzt.
Die Präsidentin der Diakonie Katastrophenhilfe, Cornelia Füllkrug-Weitzel, mahnte, den Schutz der Flüchtlinge in der Türkei nicht aus den Augen zu verlieren. "Unabhängig von politischen Vereinbarungen muss humanitäre Hilfe, also Unterstützung und rechtlicher Schutz für menschenwürdige Lebensbedingungen, für die betroffenen Menschen zur Verfügung gestellt werden", sagte sie.
Das EU-Türkei-Flüchtlingsabkommen gilt seit dem 18. März. Seit Anfang April können Flüchtlinge aus Griechenland in die Türkei abgeschoben werden. Im Gegenzug wurde der Türkei eine Beschleunigung der Verhandlungen über Visa-Liberalisierungen versprochen. Da nach dem Putschversuch in der Türkei aber offen ist, ob und wann die Türkei alle Kriterien dafür erfüllt, ist ein Zeitpunkt dafür momentan nicht absehbar. Anfang der Woche drohte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu mit einer Aufkündigung des Flüchtlingsabkommens, sollte die Visa-Freiheit nicht bis Oktober umgesetzt sein.