Schmunzeln oder auch mal etwas lauteres Lachen in der Kirchenbank? Das kommt selten vor. Aber es bleibt nicht aus. Vor allem dann nicht, wenn eines der Kinder seine Vorstellung von seinem Glauben und von Gott kundtut. "Das ist ein Mann mit Bart, Brille und lockigen Haaren", sagt ein Junge. Ein anderes Kind findet: "Gott ist mächtig, aber sehr, sehr nett." Und die Erwachsenen? Eine Frau beschreibt Gott als "ein Gefühl", die nächste als "Jemanden, der ,Du!' zu einem sagt".
Menschen berichten über ihr Verhältnis zum Glauben, wie sie Gott sehen auch in schweren Zeiten sehen oder einfach über ihre persönliche Form des Gebets. Aufgezeichnet hat dies alles die in Oldenburg geborene und in Leipzig lebende Künstlerin Geeske Janßen. Am Ende ist daraus eine gut 30 Minuten lange Interviewcollage geworden. "Standby" heißt dies Projekt, das es noch bis zum 31. August in der Bremer Stadtkirche Unser Lieben Frauen zu hören gibt. Das Geld dafür kommt von der Hanns-Lilje-Stiftung.
Auf einen Anfang und ein Ende hat Geeske Janßen dabei bewusst verzichtet, im Gegenteil: Es ist eine Endlos-Schleife. Sie erlaubt es jedem Besucher, sich jederzeit auf die Menschen aus der Gemeinde einzulassen oder wieder auszusteigen. Dafür gibt es am Eingang drahtlose Kopfhörer – natürlich geschlossene, die dem Zuhörer den Einstieg sehr leicht machen.
Geeske Janßen möchte erreichen, dass die Besucher den Kirchenraum neu für sich entdecken. Sie können zwischen Altar und Orgel umhergehen oder setzen sich einfach in die Kirchenbank und hören zu. Die Art ist völlig egal. Denn die Künstlerin hat mit "Standby" etwas geschaffen, das die Zuhörer in die Mitte der Seele jedes einzelnen Interviewpartners entführt. Wer ihnen zuhört, nimmt das Geschehen im Kirchenraum wahr als ob er durch eine Scheibe in eine andere Zeit blickt. Die Gegenwart ist das Jenseits, der Zuhörer erfährt so etwas wie Hypnose.
Dabei berichten die großen und kleinen Menschen über ganz alltäglichen Glaubenserfahrungen und -erlebnisse. "Die Kraft der Liebe, die ich Gott nenne, ist immer da", sagt beispielsweise ein Mann. Beten, natürlich, das gehört dazu. Aber jeder Mensch macht es anders. "Ich bete auf dem Fahrrad", erzählt ein anderer Herr mit einem spürbaren Schmunzeln in der Stimme. Eines der Kinder ist beim Beten ganz pragmatisch. Es spricht Gott an wie einen Menschen: "He Gott, wie geht’s Dir so?"
Schwere Themen, wohltuende Leichtigkeit
Geeske Janßen fängt nicht nur Lustiges ein, sondern auch Schweres. Da ist zum Beispiel die Frau, die früh ihr Kind verloren hat. Zweifelt sie? Nein, der Glaube trägt sie und andere Menschen in persönlichen Notlagen weiter. Was kommt, wenn wir nichts mehr haben als die Hoffnung und den Glauben? Ein bisschen muss der Zuhörer an die Geißelung von Johannes dem Täufer in Richtung der Pharisäer und Sadduzäer denken: Der Mensch muss sich und seinen Glaube wieder hinterfragen.
Trotz dieser schweren Botschaft kommt "Standby" mit einer wohltuenden Leichtigkeit daher. "Ich wollte eine Zugang fernab von jeder Dogmatik", sagt Geeske Janßen. Und: "Ich wollte, dass man den Kirchenraum anders wahrnimmt." Dass es ihr gelungen ist, bescheinigen der Endzwanzigerin nicht nur die Besucher, sondern auch die Gemeinde der Stadtkirche. "Hier kommt der Glauben in der Kirche zur Sprache", findet Pastor Stephan Kreutz, "es geht um ureigene Glaubenserfahrungen der Gemeindeglieder."
Vor diesem Hintergrund, findet der Theologe, passe der Name des Projekts gut. "Mit ,Standby' verbinde ich, dass jemand an meiner Seite steht." Andere Menschen müssen an die Stand By-Funktion eines technischen Gerätes denken: Es ist nie ganz aus. Stephan Kreutz muss lachen: "Der Glaube läuft im Hintergrund mit." Eines der Gemeindeglieder findet in der "Standby"-Schleife eine andere Formulierung: "Ich glaube, der Glaube ist ein Geschenk."