Kritik an türkeinahem Islamverband reißt nicht ab
Erdogan-Politik in deutschen Klassenzimmern? Für manchen deutschen Politiker ein Graus. Forderungen danach, den Einfluss des türkeinahen Islamverbandes Ditib zurückzudrängen, mehren sich. Der Verband fühlt sich zu Unrecht am Pranger.

Berlin (epd). Der Einfluss des türkeinahen Islamverbandes Ditib in Deutschland sorgt unter deutschen Politikern und Experten weiter für Kritik. Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir forderte, dessen Einfluss auf den islamischen Religionsunterricht an deutschen Schulen zurückzudrängen. Ditib gehe es "in erster Linie um Politik und nicht um Religion", sagte Özdemir der "Bild"-Zeitung (Mittwochsausgabe). Ein guter islamischer Religionsunterricht an Schulen sei wichtig, "aber bitte mit den Werten unseres Grundgesetzes und nicht als Erdogan-Staatsbürgerkunde unter dem Deckmantel der Religion", sagte er. Der Verband selbst wies die Kritik zurück und sprach von einem "Bashing von Muslimen".

Zusammenarbeit überdenken

In mehreren Bundesländern arbeitet die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) bereits an der Gestaltung des Religionsunterrichts mit. Durch die Abhängigkeit des Verbands von der türkischen Religionsbehörde Diyanet sorgt dies angesichts der Verhaftungen und Entlassungen nach dem Putschversuch in der Türkei zunehmend für Unmut. Özdemir sagte, man dürfe nicht zulassen, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan über Ditib seine Ideologie direkt an deutschen Schulen verbreite.

Auch die Direktorin des "Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam", Susanne Schröter, rief dazu auf, die Zusammenarbeit mit Ditib zu überdenken. Ditib sei "strukturell, finanziell und ideologisch" von Diyanet abhängig, sagte sie der "Frankfurter Neuen Presse" (Mittwochsausgabe). Es existiere eine direkte "Einflusskette": Vertreter von Diyanet und Religionsattachés seien in allen wichtigen Ditib-Gremien vertreten.

Nach Schröters Angaben werden alle Ditib-Imame von Diyanet ausgebildet, für einen begrenzten Zeitraum nach Deutschland entsandt und bezahlt. Die Freitagspredigten würden aus Ankara geliefert und in den deutschen Ditib-Moscheen verlesen. "Durch diese Predigten, die oft einen explizit politischen Charakter besitzen, wird die Propaganda der türkischen Regierung in die Moscheen exportiert."

Ditib-Sprecher Zekeriya Altug wies die Vorwürfe im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) als "absurde Unterstellungen" zurück. Ditib sei in verschiedenen Bundesländern von unabhängigen Wissenschaftlern begutachtet worden. Die Gutachten bescheinigten der Ditib eine für den Religionsunterricht nötige Unabhängigkeit. Altug warnte: Durch das Verhalten mancher Politiker würden die Muslime genau zu dem gedrängt, was man ihnen momentan unterstelle: "Dass sie sich von Deutschland weiter entfremden."

Keine Berufsperspektive

Als Religionsgemeinschaft im Sinne des Religionsverfassungsrechts, das den Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts analog zu den Kirchen erlauben würde, ist Ditib noch in keinem Bundesland anerkannt. Um den Islam auch strukturell in Deutschland zu verankern, gibt es seit einigen Jahren islamischen Religionsunterricht an Schulen und Lehrstühle für islamische Theologie, an denen Religionslehrer und nach dem Willen der Politik auch Imame akademisch ausgebildet werden sollen.

Die Ausbildung von Geistlichen steht aber noch ganz am Anfang. Auf epd-Anfrage bestätigten mehrere Lehrstühle, dass es noch keine Verbindung gibt zwischen den Universitäten und den Verbänden, die letztlich die Absolventen praktisch ausbilden, anstellen und bezahlen müssten. Hauptsächlich werden an den Lehrstühlen deshalb Lehrer ausgebildet. Für Imame gebe es derzeit praktisch keine Berufsperspektive in Deutschland.

Der Islam-Professor Mouhanad Khorchide sagte dem epd, eine Kooperation mit den Verbänden werde angestrebt. Aber: "Die Etablierung der islamischen Theologie an den Hochschulen mit dem Ziel der Ausbildung von Imamen wird von manchen als Konkurrenz zu der eigenen Ausbildung gesehen." Hier stelle sich "grundsätzlich die Frage, inwieweit die Verbände bei der Ausbildung mit den Lehrstühlen kooperieren wollen", sagte er.