Berlin (epd). "Erpressung ist kein Mittel der Politik", sagte der stellvertretende CDU-Vorsitzende Thomas Strobl der "Rheinischen Post" (Dienstagsausgabe). Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hatte damit gedroht, vom EU-Türkei-Flüchtlingspakt Abstand zu nehmen, wenn die Visa-Liberalisierung für Türken nicht bis Oktober umgesetzt ist. Die CDU-Politikerin Erika Steinbach forderte, vonseiten der EU das Abkommen aufzukündigen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) erklärte, Drohungen und Ultimaten brächten nicht weiter.
"Es gibt Bedingungen für die Visa-Freiheit, und diese sind allen Seiten bekannt", sagte Steinmeier der "Rheinischen Post". Die Türkei habe da noch Arbeit vor sich. Vor allem die Terrorgesetze des Landes sind ein Hindernis bei der geplanten Visa-Freiheit. Die Regierung in Ankara hatte den geplanten Start dafür zunächst selbst in den Herbst verschoben und dringt jetzt auf zügige Umsetzung. Andernfalls "werden wir gezwungen sein, vom Rücknahmeabkommen und der Vereinbarung vom 18. März Abstand zu nehmen", sagte Cavusoglu der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Gemeint ist das Flüchtlingsabkommen, nach dem alle in Griechenland ankommenden Bootsflüchtlinge wieder in die Türkei zurückgeschickt werden sollen.
Zugesagte Hilfe
Steinbach sagte im Deutschlandfunk, Deutschland und die EU hätten sich in einer gewissen Art und Weise abhängig gemacht. Die EU müsse beim Flüchtlingsthema zu eigenen Überlegungen kommen. Auf die Frage, ob man das Abkommen aufkündigen solle, sagte sie, man müsse "einen Strich ziehen".
Die Bundesregierung hatte sich zuvor unbeeindruckt von der Drohung aus Ankara gezeigt. Sie betonte, dass die Türkei die Voraussetzung für die Visa-Freiheit erfüllen müsse. Am Flüchtlingsabkommen will sie festhalten.
Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Gunter Krichbaum (CDU), sagte der "Rheinischen Post", mit derlei Drohungen setze die Türkei "weitaus mehr aufs Spiel als das Flüchtlingsabkommen". Er verwies dabei auf die von der EU zugesagten Hilfen für die Flüchtlingsinfrastruktur in der Türkei. Drei Milliarden Euro waren zugesagt und weitere Zahlungen in Aussicht gestellt worden.
Sanktionen gegen Erdogan
Der Vorsitzende der europäischen Grünen, Reinhard Bütikofer, betonte die Notwendigkeit einer gemeinsamen europäischen Flüchtlingspolitik. "Wir würden sicherlich in der EU wesentlich weniger aufgeregt über diese ganze Sache diskutieren, wenn nicht so viele den Eindruck hätten, alleine die türkische Haltung sei dafür verantwortlich, dass Europa nicht völlig hilflos einer großen Flüchtlingsbewegung ausgesetzt wird", sagte er im SWR-Hörfunk. Im Zweifel werde man neue Schritte gehen müssen.
Die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen (Linke) forderte angesichts der Repressionen in der Türkei Sanktionen gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. "Seine Konten müssen gesperrt werden", sagte sie der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Dienstagsausgabe). Dagdelen forderte zudem, die Entsendung von Imamen nach Deutschland zu stoppen und Kooperationen mit dem Islam-Verband Ditib aufzukündigen: "Wer Ditib in die deutschen Klassenzimmer lässt, lässt quasi Erdogan in die Klassenzimmer."