Berlin (epd). Cavusoglu forderte die Umsetzung der geplanten Visa-Liberalisierung für Türken bis Ende Oktober. Andernfalls "werden wir gezwungen sein, vom Rücknahmeabkommen und der Vereinbarung vom 18. März Abstand zu nehmen", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Montagsausgabe). Gemeint ist damit das EU-Türkei-Flüchtlingsabkommen. Die Bundesregierung reagierte zunächst unbeeindruckt.
Es bleibe dabei, dass die Voraussetzungen für eine Visa-Liberalisierung zunächst erfüllt sein müssen, sagte der Sprecher des Auswärtigen Amts, Martin Schäfer, am Montag in Berlin. Damit schloss er sich der Auffassung der EU-Kommission an. 72 Kriterien muss die Türkei für liberale Visa-Regelungen erfüllen. Vor allem die Terrorgesetze der Türkei verstoßen gegen Punkte aus dem Katalog.
Schleppende Bearbeitung
Bei der Entwicklung in der Türkei nach dem Putschversuch ist zudem fraglich, ob auch andere, bereits als erfüllt gegoltene Kriterien immer noch eingehalten werden. Auch sie würden im Zuge der Verhandlungen wieder geprüft, betonte Schäfer. Die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen (Linke) forderte die EU auf, die Verhandlungen über die Visa-Freiheit auf Eis zu legen. Dafür fehle jede Grundlage, erklärte sie.
Die stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung, Ulrike Demmer, sagte, man gehe davon aus, dass die Türkei das Flüchtlingsabkommen weiterhin erfülle. Sie betonte, es sei im gegenseitigen Interesse, dass nicht mehr alltäglich Menschen im Meer ertrinken. Der Pakt sieht vor, dass alle in Griechenland ankommenden Bootsflüchtlinge wieder in die Türkei zurückgeschickt werden können. Weil es dadurch für Bootsflüchtlinge kaum Chancen auf Asyl in der EU gibt und durch türkische Sicherungsmaßnahmen an der Küste war die Zahl der übers Meer kommenden Schutzsuchenden zuletzt stark zurückgegangen.
Allerdings stockt auch die Umsetzung des Pakts wegen der schleppenden Bearbeitung der Asylanträge in Griechenland. Nur knapp 500 Flüchtlinge wurden bislang zurückgeschickt. Davon waren 31 Syrer, die freiwillig Griechenland wieder verlassen haben.
Drei Gerichte beschäftigt
Derweil sorgte auch die Demonstration in Köln, bei der eine Live-Übertragung des türkischen Präsidenten Erdogan untersagt wurde, weiter für Zündstoff in den diplomatischen Beziehungen. Außenamts-Sprecher Schäfer bestätigte, dass der deutsche Gesandte in Ankara für Montagnachmittag zum Gespräch ins Außenministerium bestellt wurde. Aus der Türkei wurde das Übertragungsverbot als Verstoß gegen demokratische Prinzipien bewertet. Schäfer sagte, das Verbot hätte drei Gerichte bis zum Bundesverfassungsgericht beschäftigt. Dies sei ein "schöner Ausdruck von Rechtsstaatlichkeit".
Die Spannungen zwischen Berlin und Ankara sind bereits seit der Armenien-Resolution, die der Bundestag Anfang Juni verabschiedete, angespannt. Die Türkei zog damals ihren Botschafter aus Deutschland ab. Wann wieder ein türkischer Botschafter in Berlin zu erwarten ist, ist bislang offen. Schäfer sagte, die Bundesregierung würde es begrüßen, wenn dies bald der Fall wäre. Es gebe genügend zu besprechen.