Berlin (epd). Schwer übergewichtige Menschen werden inzwischen häufiger operiert und das macht der zweitgrößten deutschen Krankenkasse Sorgen. Der Vorstandsvorsitzende der Barmer GEK, Christoph Straub, warnte bei der Vorstellung des diesjährigen Krankenhaus-Reports am Mittwoch in Berlin vor überzogenen Hoffnungen auf die Kunst der Chirurgen. Wohlstandsspeck könne man nicht einfach wegoperieren.
Straub sagte, ein Eingriff dürfe immer nur das letzte Mittel sein. Nur wenn die Patienten nach der Operation ein Leben lang ärztlich begleitet würden, sich bewegten und ihre Ernährung umstellten, könnten sie auf Erfolge hoffen. "Man kann auf dem Sofa nicht abnehmen", sagte Straub. Allein durch Bewegung könne man überflüssige Kalorien verbrennen.
In den Wohlstandsländern nimmt die Fettleibigkeit seit Jahrzehnten zu, auch in Deutschland. 2014 haben sich dem Barmer GEK-Report zufolge sieben Millionen krankhaft übergewichtige Menschen in ärztliche Behandlung begeben, 14 Prozent mehr als vor zehn Jahren.
Zahl der Eingriffe stark gestiegen
Ein neuer Trend ist indes, dass schwer adipöse Patienten häufiger operiert werden. Die Barmer GEK hat das erstmals empirisch untersucht. Ihrem Report zufolge hat sich in den vergangenen zehn Jahren die Zahl der Eingriffe unter ihren 8,4 Millionen Versicherten versechsfacht. Zwar sei die Zahl der Magen- und Darmverkleinerungen im Jahr 2014 mit 1.070 noch gering gewesen. Doch stünde man am Anfang einer Entwicklung, für die man nun die Weichen stellen müsse, sagte Straub.
Eine Operation solle nur in einem der 44 deutschen Zentren für Adipositas-Chirurgie erfolgen. Dem GEK Barmer-Report zufolge sind dort die Komplikationen geringer, und es sterben pro tausend Operationen sechs Patienten weniger als in anderen Krankenhäusern, wo auf 1.000 Eingriffe 40 Todesfälle kommen.
Bei den sogenannten bariatrischen Operationen wird entweder der Magen um 80 bis 90 Prozent auf einen schlauchförmigen Rest verkleinert oder ein Teil des Magens abgetrennt und direkt mit dem Dünndarm verbunden. Die Eingriffe führen dazu, dass die Patienten weniger essen können und die Nahrung durch den verkürzten Dünndarm schlechter verwertet wird - was wiederum zu Komplikationen durch Mangelernährung führen kann.
Langfristige Auswirkungen auf Kosten unklar
Positive Effekte sind neben der Gewichtsabnahme, dass operierte Patienten danach seltener ins Krankenhaus müssen, um Diabetes, Schlafstörungen oder Bluthochdruck behandeln zu lassen. Der Barmer-Report kommt zu dem Schluss, dass die Operationen wegen der Risiken ausschließlich bei sehr schwer übergewichtigen Patienten angezeigt sind.
Kurz- und mittelfristig steigen die Kosten der Behandlung, wenn ein fettleibiger Patient operiert wird. Wie sich die Operationen langfristig auf die Behandlungskosten auswirken, ist noch nicht untersucht.
Hochgerechnet auf alle gesetzlichen Versicherten wurden 2014 bei rund 9.200 Patienten Magenverkleinerungen vorgenommen. Würden indes alle Versicherten mit einem Body-Mass-Index über 40 operiert, kostete dies die Krankenkassen 14,4 Milliarden Euro, hat die Barmer GEK ausgerechnet. Der Body-Mass-Index errechnet sich aus Größe und Körpergewicht. Normal ist ein Wert von 18,5 bis 25.