Polizeistratege: Soziale Medien verändern Polizeiarbeit grundlegend
Amoklauf in München, Selbstmordattentäter in Ansbach: Soziale Medien stellen die Polizeiarbeit vor neue Herausforderungen.
26.07.2016
epd
epd-Gespräch: Elisa Makowski

Münster (epd). "Daraus ergeben sich viele, neue Schwierigkeiten für die Polizeiarbeit", sagte Ingo Dudenhausen von der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster und Leiter des Projekts "Scarsome" dem Evangelischen Pressedienst (epd). Ein großer Teil der Gesellschaft kommuniziere über Twitter oder Facebook, also müsse es auch die Polizei tun. Seit 2014 erforschen die Wissenschaftler des Projekts "Scarsome" (Serious Crimes And the Role of Social Media) die Relevanz Sozialer Medien für die Polizei bei unter anderem Amokläufen und Terrorangriffen.

In der ersten Phase einer Notsituation überwögen die Vorteile eines Kurznachrichtendienste wie Twitter. Die Polizei bekomme oftmals Kenntnis über den Einsatzort. "Gerade die ersten Tweets beschreiben oft den Tathergang, trotz Ausnahmesituation, sehr klar und realistisch", sagte Dudenhausen. Auf dieser Grundlage könne die Polizei ihren Einsatz koordinieren. Auch könnten die Sicherheitsbehörden über Soziale Netzwerke direkt Menschen erreichen, die gewarnt werden müssten oder andere Menschen informieren könnten, wie zum Beispiel Journalisten.

Plötzlich kippt die Stimmung

Dann aber gebe es immer einen Wendepunkt, erläuterte Dudenhausen. Ab diesem Zeitpunkt würden zu viele nicht nachprüfbare Informationen verbreitet. Diese würden von den Nutzern als unmittelbare Realität erlebt, weshalb schnell Panik auftrete. Es gebe auch gezielte Panikmache und Lust, Gerüchte zu verbreiten. "Scheinbar haben manche Twitter-Nutzer Spaß daran, dass die Polizei beauftragt wird", sagte Dudenhausen.

Am Freitagabend wurden in München neun Menschen Opfer eines Amoklaufs. Kurz nach den Schüssen am Olympia-Einkaufszentrum machte unter anderem auch auf Twitter das Gerücht die Runde, dass zwischen Marienplatz und Stachus Schüsse zu hören gewesen seien. Daraufhin kam es zu einer Panik. Im Laufe des Abends twitterte deshalb die Münchner Polizei: "#Schießerei #oez #münchen Bitte haltet Euch mit Spekulationen&Diskussionen!!! hier momentan zurück. Damit würdet Ihr uns sehr unterstützen."

Falsche Fakten, die über Twitter geteilt würden, beeinflussten maßgeblich den Geschehnis-Ablauf, sagte Dudenhausen. Die Polizei müsste jedem Hinweis nachgehen: "Das bindet Kräfte an Einsatzorten, die eigentlich keine sind." Die Warnungen der Münchner Polizei am Freitagabend, von ihnen keine Fotos in Internet zu verbreiten, seien reiner Selbstschutz. "Wir wollen nicht, dass die Einsatzkräfte zu Zielscheiben werden", sagte Dudenhausen, der selbst Polizist ist.