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Pokémon sind nicht nur auf dem Handy zu finden, sondern manchmal - wie hier - auch drumherum.
Pro/Contra: "Pokémon Go" in der Kirche
"Pokémon Go" ist ein Phänomen. Mehr als 30 Millionen Downloads weltweit hat die App in ihren ersten drei Wochen erzielt. Auch hierzulande sieht man an allen Ecken Menschen, die auf der Suche nach den japanischen Taschenmonstern ihre Städte erforschen. Aber wie sieht's aus mit Pokémon in der Kirche? Sollten wir uns auf das Phänomen einlassen? Zwei Meinungen zu "Pokémon Go" und Kirche.

Pro: Anlass zu Gespräch

von Hanno Terbuyken (@dailybug), Portalleiter von evangelisch.de

Die Frage, ob sich die Kirche Pokémon Go zunutze machen sollte, lässt sich mit einem klaren "Ja!" beantworten. Denn die Jagd auf die japanischen Taschenmonster bringt Menschen zu Kirchen, die ihren Lebtag nicht freiwillig einen Fuß in ein christliches Gotteshaus setzen würden.

Ob man Pokémon Go spielen will, muss jeder selbst wissen. Wer den Reiz der 25 Jahre alten Pokémon nicht spürt, für den ist das Spiel nichts. Wer sich um Datenethik und Datensparsamkeit sorgt, muss etwas mehr Mühe aufwenden und sich ein Pokémon-Trainer-Konto anlegen statt das eigene Googlekonto zu verwenden. (In der aktuellsten Version hat der Entwickler Niantic den Zugriff der App auf das Nötigste eingeschränkt.) Aber wer auf den Zug aufspringt, gemeinsam mit Dutzenden Millionen Menschen weltweit, findet auf seiner Suche nach Pokémon auch zahlreiche Kirchen.

Pokémon Go funktioniert so: Mit dem Handy in der Hand geht man durch die Gegend und fängt die kleinen Monster, die in der Welt versteckt sind. Auf der Basis von Google Maps sind außerdem fast überall, aber vor allem in Städten, so genannte "PokéStops" verteilt. Das sind quasi Tankstellen, an denen man (kostenlos) die Poké-Bälle bekommt, die man braucht, um Pokémon zu fangen. Diese PokéStops sind in der Regel an besonderen Orten aufgestellt. Dazu gehören auch Kirchen.

Außerdem gibt es "Gyms", zu deutsch: Arenen. Dort können Spieler ihre Pokémon abstellen, um diese Arena zu bewachen und für ihr Team – gelb, blau oder rot – einzunehmen. An einer solchen virtuellen Arena versammeln sich oft Pokémon-Spieler, um ihr Team zu unterstützen und ihre Pokémon zu trainieren, um weitere Arenen zu besetzen.

Aber auch ein PokéStop lockt Spieler an, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Denn diese Tankstellen lassen sich mit einem Lockmodul bestücken, das eine halbe Stunde lang mehr Pokémon anlockt. Damit kommen auch die Spieler, die diese Pokémon fangen wollen. Diese Lockmodule kosten Geld – 100 Pokémünzen, zu haben für 0,99 Euro im Shop der App.

Wenn eine Kirche also einen Pokéstop direkt vor Tür hat, kann sie einen Euro investieren und damit eine halbe Stunde lang meist junge Menschen aus der Umgegend dazu motivieren, auf einen Besuch vorbeizukommen. Welche einfachere Möglichkeit gibt es, mit Menschen in Kontakt zu kommen?

Stefan Lesting hat das auf frischfischen.de auch schon für die City-Pastoral durchgedacht. Wer sowieso mit der Kirche unterwegs ist und ins Gespräch kommen will, wie unser Blogger Heiko Kuschel mit seiner Wagenkirche, hat mit Pokémon Go einen weiteren mächtigen Hebel an die Hand bekommen. Aber eben auch die Kirche im Ort kann durch Pokémon Go auf eine neue, weitere Art und Weise zum Treffpunkt werden.

Natürlich muss die Gemeinde dann auch ansprechbar sein und vor der Kirche Präsenz zeigen. Einfach nur das Lockmodul hinhängen reicht nicht. Wie wäre es mit Getränken und einer Handy-Ladestation? Die USA sind da schon weiter: In diversen Blogs wird diskutiert (unter anderem hier), wie Kirchen mit den Besuchern umgehen könnten. Aber es gibt im Moment keine bessere Möglichkeit, mit jungen Menschen aus der Nachbarschaft ins Gespräch zu kommen. Was von Kirche dann hängenbleibt, liegt an den Menschen vor Ort. Aber eine Kirche, die ein lebendiger Teil ihres Ortes sein will, sollte Pokémon Go und die ganzen Pokémon-Sucher nicht buchstäblich und sprichwörtlich an sich vorbei gehen lassen.


Contra: Das Leben ist spannend genug

von Philipp Greifenstein (@rockToamna), Autor bei theologiestudierende.de

Pokémon Go ist einer jener Trends, für den ich als Nichtspieler erst einmal Sympathie habe, weil sich die falschen Leute drüber aufregen. Da wären die Kulturpessimisten, die dem Digitalen an sich mit Vorbehalten begegnen. Da sind Nörgel-Rentner und Alltags-Puristen, die bedauern, dass wir uns dank Smartphone nicht mehr auf unser Gegenüber oder auch nur den Fußweg vor uns konzentrieren: "Augen geradeaus!"

Das alles klingt mir zu preußisch, asketisch und freudlos. Wenn Christen jeden neuen Trend verdammen, dann wird mir speiübel. Denn was sie damit eigentlich machen, ist ihr Christentum vom Rest der Kultur abzuspalten und es sich in einer winzigen Nische bequem zu machen. Mit der christlichen Religion scheint dann nur das vereinbar, "was schon immer so war". Stattdessen ist die ganze Kultur - auch die digitale, auch das Smartphone - unser Spielfeld, um darauf Fragen zu entdecken, die sich Menschen heute über ihr Leben stellen.

Wenn so viele junge Menschen von 12 bis 42 auf einmal auf ihr Smartphone starrend durch die Landschaft tapern, dann drückt sich darin ein Bedürfnis nach Ablenkung, nach Belohnung und nach Spiel aus. Daran könnte man anknüpfen, auch in den Kirchen, falls sie auf diese Weise ins Spiel gebracht werden. Unsere Kirchentüren verbergen kein Heiligtum, keine mirakulöse Sphäre, die man vor den Erscheinungen der Kultur - auch vor Pokémon Go - beschützen müsste.

Die häufig vorgebrachten Ressentiments gegen das Smartphone und Computerspiele im Allgemeinen und Pokémon Go im Besonderen täuschen aber über die wirklich triftigen Gründe hinweg, es nicht zu spielen oder im Rahmen der Gemeindearbeit zu nutzen.

Zum einen ist die Menge an nutzbaren Daten, die die zum Teil minderjährigen Spieler über sich im Laufe des Spiels preisgeben, ist riesig. Da das Spiel kostenlos angeboten wird, sind die Daten, die die Spieler freiwillig und en passant zu Verfügung stellen, ein Teil der Bezahlung. Das zu erkennen, ist eine Frage der Medienkompetenz, die an Beispielen wie Pokémon Go exemplarisch gestärkt werden kann. Eine Bearbeitung im Rahmen von Konfirmanden- und Jugendarbeit und im Religionsunterricht bietet sich nur an, wenn damit konkrete religiöse Inhalte verbunden werden können.

Zum anderen fußt das Spielprinzip von Pokémon Go auf der sog. "Augmented Reality" - einer aufgepeppten Lebensumgebung. Die Kirche aber sollte sich mit der wahren Realität menschlichen Lebens, zu der auch die digitale gehört, beschäftigen. Diese Realität ist spannend genug, konfliktreich und erfreulich zugleich. Ihre Kraft und Zeit nicht an irgendein Ding oder den nächsten Trend verschwenden, sondern sich für die Leben der Menschen verwenden, sich ihnen zu Diensten zu stellen, das ist Aufgabe der Kirche.

Ich bin insgesamt skeptisch. Ich glaube, uns Protestanten tut in Sachen Pokémon Go ein wenig "katholische" Genügsamkeit gut: Irgendwann stirbt jedes Tamagochi, meist aus Langeweile.