Berlin (epd). Der Generalsekretär des Europarates, Thorbjørn Jagland, hat die Debatte in der Türkei über die Wiedereinführung der Todesstrafe nach dem gescheiterten Militärputsch scharf kritisiert. "Kein Mitgliedsstaat des Europarates darf die Todesstrafe anwenden", sagte Jagland dem Berliner "Tagesspiegel" (Montagsausgabe). "Das ist eine Verpflichtung unter dem Statut des Europarats." Die Türkei habe beide Zusatzprotokolle der Europäischen Menschenrechtskonvention ratifiziert, mit denen die Todesstrafe unter allen Umständen abgelehnt wird. Der Professor für Internationales Strafrecht, Kai Ambos, äußerte Zweifel, dass es tatsächlich zu einer Wiedereinführung kommt.
Die 47 Mitgliedsstaaten des Europarats hatten 1983 entschieden, die Todesstrafe abzuschaffen, und dieses Bekenntnis 2002 um den Zusatz "unter allen Umständen" ergänzt. Die Türkei hat seit 1984 keine Todesurteile mehr vollstreckt; 2004 wurde die Todesstrafe aus dem Gesetz gestrichen.
"Reine Rhetorik"
Nach dem gescheiterten Putsch in der Türkei hatten am Wochenende mehrere Parlamentsabgeordnete die Wiedereinführung der Todesstrafe gefordert. Präsident Recep Tayyip Erdogan sprach sich dafür aus, darüber Gespräche zu führen.
Der Göttinger Juraprofessor Ambos sagte im Deutschlandradio Kultur, bei solchen Debatten jenseits des Völkerrechts handele es sich meistens um "reine Rhetorik". "Deshalb glaube ich auch, dass daraus nichts werden wird." Die Türkei müsse zu diesem Zweck erhebliche juristische Schritte einleiten, die das Land im europäischen Bereich und als Mitglied des Europarats noch weiter isolieren würden.
Ambos betonte die Verbindlichkeit der Zusatzprotokolle zur Europäischen Menschenrechtskonvention: "Von diesen Zusatzprotokollen kann man eigentlich gar nicht zurücktreten. Da müsste man schon von der Europäischen Menschenrechtskonvention als Ganzes zurücktreten." Es erscheine schwer vorstellbar, dass die Türkei sich dazu entschließen könnte.
Am späten Freitagabend hatten in der Türkei Teile der Armee einen Umsturzversuch gestartet, den die Regierung in Ankara am Samstagvormittag für gescheitert erklärte. Mehr als 260 Menschen wurden getötet. Präsident Erdogan kündigte anschließend eine "Säuberung" in der Armee an. Wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, wurden am Wochenende rund 6.000 Menschen festgenommen.