Psychologe: Leben nicht von Terrorangst diktieren lassen
Nach dem Anschlag von Nizza rät der Psychologe Jens Hoffmann, normal weiterzuleben.
15.07.2016
epd
epd-Gespräch: Jens Bayer-Gimm

Darmstadt (epd). "Wir sollten die Dinge sehen, wie sie sind", sagte Jens Hoffmann, Leiter des Instituts Psychologie und Bedrohungsmanagement in Darmstadt, am Freitag dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Wir erleben eine Form von Gewalt, die an öffentlichen Plätzen willkürlich Menschen tötet, um Angst und Schrecken zu verbreiten." Als erste Reaktion sei es in Ordnung, große Veranstaltungen oder bestimmte Plätze zu meiden. Aber man sollte nicht den Alltag einschränken.

Angst eingestehen

Statistisch sei es wenig wahrscheinlich, dass ein Anschlag einen treffe, sagte Hoffmann. Allerdings nutze dieses Wissen wenig: "Menschen spüren keine Wahrscheinlichkeiten." Nicht sinnvoll sei, die Angst vor Terror zu verleugnen. Verdrängte Angst wirke fort, sei aber schwerer greifbar. Sinnvoller sei es, sich die Angst einzugestehen. "Aber sollen wir uns das Leben nehmen lassen?", fragte der Psychologe. Wenn man aus Furcht den Alltag einschränke, nehme die Angst immer größere Räume ein, und es könnten sich psychische Störungen entwickeln.

Der Psychologe rief dazu auf, sich als Gesellschaft über eine Haltung angesichts des Terrors zu verständigen. "Wenn Menschen als Gemeinschaft zusammenstehen, schafft das Halt", sagte er. Ein Beispiel dafür sei die Haltung der Engländer in der Zeit der Bombenanschläge durch die nordirische IRA. Die Engländer hätten damals Vorsichtsmaßnahmen ergriffen, ansonsten aber bewusst ihren Alltag behauptet. "Wir können stolz sein auf die freie Gesellschaft", sagte Hoffmann. Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens könnten als Vorbild deutlich machen: "Wir lassen uns als Gemeinschaft unseren Lebensstil nicht nehmen."