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TV-Tipp: "Der Traum von Olympia" (Arte)
16.7., Arte, 20.15 Uhr: "Der Traum von Olympia"
Dokudrama von Florian Huber (Buch und Regie) und Mira Thiel (Regie) über die Olympischen Sommerspiele 1936 in Berlin.

Die Nazis haben’s erfunden, und bis heute eifern Diktaturen und andere fragwürdige Regierungsformen diesem Vorbild nach: Nichts eignet sich besser für die politische Propaganda als ein sportliches Ereignis, auf das die gesamte Welt schaut. In einer früheren Dokumentation hat die ARD bereits beschrieben, wie gut das 1936 bei den Olympischen Winterspielen funktioniert hat. Schon damals hieß es, die Veranstaltung in Garmisch-Partenkirchen sei bloß die Generalprobe für das Sommerspektakel gewesen. Nun folgt "Der Traum von Olympia". Anders als die Winter-Doku ("Als Olympia die Unschuld verlor") ist der Film von Florian Huber (Buch und Regie) und Mira Thiel (Regie) ein Dokudrama, also eine Kombination aus zeitgenössischen Aufnahmen und nachgestellten Spielszenen. Und noch etwas unterscheidet die beiden Werke: Huber konzentriert sich in seinem Drehbuch auf zwei Protagonisten, die gewissermaßen als Zeitreiseführer dienen, der eine für die Innenansicht, die andere für die Außenperspektive. Wolfgang Fürstner (verkörpert von Simon Schwarz) war der Kommandant des Olympischen Dorfes, Gretel Bergmann (Sandra von Ruffin) die damals wohl talentiertestes deutsche Hochspringerin mit guten Aussichten auf die Goldmedaille; kurz vor Beginn der Spiele wurde sie als Jüdin aus dem Kader verbannt.

Die Wahl dieser beiden Erzähler hat den Vorteil, dass Huber auf einen Kommentar verzichten kann, denn Fürstner, der die deutlich größere Rolle einnimmt, sorgt für die nötigen Hintergrundinformationen: über die Bedeutung der Spiele für die Nationalsozialisten, über die Überlegungen der USA, sie zu boykottieren, über den riesigen Aufwand, der getrieben wurde, um für das Bild eines friedlichen Deutschlands zu sorgen und Berlin in eine weltoffene Metropole zu verwandeln. Die Methode hat allerdings auch ihre Nachteile. Dass permanent erklärt, erläutert und ergründet wird, mag in der Natur der Sache liegen, weil die Filmemacher offenbar (und vermutlich nicht zu Unrecht) davon ausgingen, dass die Zuschauer achtzig Jahre nach dem Spektakel große Wissenslücken haben würden. Doch schon der Auftakt sorgt für eine erste Irritation, denn als sich Fürstner vorstellt, treibt er tot auf dem See des Olympischen Dorfes; Tote pflegen auch in Filmen aus naheliegenden Gründen nicht über ihr Leben zu plaudern. Während der Österreicher Simon Schwarz, auch hierzulande oftmals in Komödien und Krimis besetzt, seinen Kommentar angenehm vorträgt, ist die vergleichsweise unerfahrene Sandra von Ruffin (die Tochter von Vicky Leandros) keine begabte Erzählerin. Darstellerisch dagegen ist sie kaum gefordert, denn Gretel ist meist mit Training beschäftigt.

Weil die Spielszenen ohnehin aussehen, als hätten sie nicht viel kosten dürfen, haben sich Huber und Thiel eine kleine Besonderheit einfallen lassen, die allerdings ähnlich aus dem Rahmen fällt wie Fürstners Monolog aus dem Jenseits: Mitten in der Handlung wendet sich die Figur der Kamera zu und nimmt Stellzug zu einem Schicksal, das seinen Lauf nimmt; und wenn der Mann gerade beim Waldlauf ist, geschieht das entsprechend atemlos. Für Fürstner, der außer Offizier offenbar nichts gelernt hat, ist das Kommando über das Olympische Dorf die Chance seines Lebens. Aber dann werden die Nürnberger Rassegesetze erlassen, und der Hauptmann bekommt ein Problem: Er hat jüdische Vorfahren und wird degradiert. Nun sind beide, der Offizier und die Sportlerin, nur noch Statisten im eigenen Traum. Während Gretel Bergmann nach Amerika auswandert, gibt es für den Dorfkommandanten angesichts der doppelten Schmach, nicht nur die Lorbeeren, sondern auch noch die eigene Frau einem anderen überlassen zu müssen, in alter Offizierstradition nur eine Konsequenz.

Vor der Ausstrahlung lautete der Untertitel des Dokudramas schlicht "Die Spiele von Berlin 1936", nun heißt der Titelzusatz "Die Nazi-Spiele von 1936". Selbst wenn beispielsweise Fürstners Gegenspieler, der Berliner Polizeipräsident (Gotthard Lange), auch physiognomisch eher schlicht als typischer Filmschurke konzipiert worden ist: Die etwas plump anmutende Verwendung des Reizwortes wird dem Anspruch der Arbeit nicht gerecht. Auch dank des mitunter allerdings ausufernden Begleittextes vermittelt Huber eine Menge Information. Die ARD wiederholt den Film am Montag um 21.45 Uhr.