Fiona fällt verständlicherweise aus allen Wolken, zieht kurz in Erwägung, den Gatten (Stephan Kampwirth) zu verlassen, ringt sich dann aber zu einer verblüffenden "Happy Family"-Lösung durch: Julia soll bei ihnen einziehen, damit Ben seinen neuen familiären Pflichten nachkommen kann, ohne die alten zu vernachlässigen. Allerdings bekommt Fiona bald eine Menge Gründe, ihre ungewöhnliche Patchwork-Idee zu bereuen: Gemeinsam mit Sängerin Julia nistet sich auch ein Musikerkollege ein, und das Wohnzimmer wird alsbald zum Probenraum. Fionas Töchter aber sind von der unkonventionellen neuen Mitbewohnerin, die ihre große Schwester sein könnte, begeistert, zumal sie im Gegensatz zur jobfixierten Mutter immer da ist; außerdem verguckt sich die halbwüchsige Paulette umgehend in den Musiker.
Im Grunde bietet diese Ebene schon genug Stoff, zumal die Schweizerin Sabine Boss, die mit Claudia Michelsen bereits den kürzlich gezeigten stillen Thriller "Stärke 6" gedreht hat, den Film flott und kurzweilig inszeniert. Die Heldin muss sich aber auch auf einem zweiten Schauplatz behaupten: Fiona ist kreativer Kopf einer PR-Agentur und gerade dabei, den Auftrag für die Image-Kampagne eines Ölkonzerns an Land zu ziehen; da kommen die privaten Turbulenzen höchst ungelegen, zumal die Kollegen aufgrund eines Missverständnisses überzeugt sind, sie erwarte das dritte Kind ihres Mannes.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Mit Ausnahme der kleinen Tochter, deren Sätze aufgesagt klingen, sind sämtliche Darsteller überzeugend und gut besetzt. Claudia Michelsen hat allerdings die mit Abstand besten Dialogzeilen. Für die vielfach ausgezeichnete Schauspielerin ist die Figur der überforderten PR-Expertin ohnehin recht ungewöhnlich. Ihre umfangreiche Filmografie enthält nur wenige Komödien; die beiden Grimme-Preise zum Beispiel hat sie für die Dramen "Der Turm" und "Grenzgang" bekommen. Umso größer ist das Vergnügen, ihr zuzuschauen, zumal sie die Rolle auch mimisch betont komödiantisch anlegt, ohne dabei zu dick aufzutragen. Gleiches gilt für Maren Kroymann als Fionas umweltbewegte Mutter, die ebenfalls zum Haushalt gehört und sich das Leben gern mal mit einem Joint schöner raucht.
Nicht alle Ideen im Drehbuch von Verena Bird sind wirklich neu, aber viele sind originell und sympathisch; und so bietet "Seitensprung" dank der temporeichen Umsetzung (Kamera: Peter von Haller), einer munteren Montage (Melanie Landa) und einer entsprechenden Musik (Martin Unterberger) ausgesprochen kurzweilige Unterhaltung.