Mehr Verantwortung, mehr Einsätze
Es spiegelt die Trendwende in der Sicherheitspolitik: Die Bundesregierung hat das Weißbuch für die Bundeswehr beschlossen. Deutschland soll demnach öfter eine Führungsrolle einnehmen. Von der Opposition kommt Kritik.

Berlin (epd). Deutschland will international mehr Verantwortung übernehmen - auch militärisch. Das Kabinett hat am Mittwoch in Berlin das von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) vorgelegte "Weißbuch 2016 zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr" beschlossen. In dem Grundsatzdokument spiegelt sich die Wende in der deutschen Sicherheitspolitik wider, die Bundespräsident Joachim Gauck, Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und von der Leyen auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2014 eingeleitet hatten.

Deutschland will angesichts seiner wirtschaftlichen, politischen und militärischen Bedeutung häufiger eine Führungsrolle übernehmen, um die globale Ordnung aktiv mitzugestalten. Von der Leyen sagte nach dem Kabinettsbeschluss, das Weißbuch dokumentiere die Bereitschaft Deutschlands, Verantwortung zu übernehmen ohne sich zu überschätzen. Nicht nur die Welt, auch Deutschland habe sich verändert in den zehn Jahren, seitdem 2006 das letzte Weißbuch für die Bundeswehr veröffentlicht worden war.

Mehr Geld für Ausrüstung und Personal

Heute sind so viele Menschen auf der Flucht wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. In Syrien herrscht Krieg, die Terrormiliz IS ist ungeschlagen, Terroranschläge erschüttern auch europäische Städte, Russland hat die Krim annektiert: Deutschland und die Bundeswehr sind aus Sicht der Regierung bei der Krisenbewältigung gefragt. Dafür müsse die Bundeswehr auch ausgestattet werden, sagte von der Leyen. Es soll mehr Geld in Ausrüstung und Personal fließen und der Verteidigungsetat weiter erhöht werden. Der Verteidigungsetat ist in diesem Jahr um 1,3 Milliarden auf 34,3 Milliarden Euro gestiegen und macht knapp elf Prozent des Bundeshaushalts aus.

Bei schweren terroristischen Anschlägen sind dem Weißbuch zufolge Einsätze der Bundeswehr auch im Inland möglich und sollen geübt werden. Das Grundgesetz müsse dafür nicht geändert werden, heißt es in dem Dokument. Von der Leyen fügte hinzu, sie wolle darüber mit den Ministerpräsidenten der Länder und dem Bundesinnenminister sprechen.

In Europa strebt Deutschland eine gemeinsame Sicherheitspolitik mit dem Fernziel einer Verteidigungsunion an. Dem Weißbuch zufolge könnte die Bundeswehr auch für EU-Ausländer geöffnet werden. Dagegen meldete der Deutsche Bundeswehrverband unverzüglich Widerstand an. Dessen Vorsitzender André Wüstner sagte in der ARD, Bundeswehrangehörige sollten die deutsche Staatsbürgerschaft haben.

Wehrbeauftragter enttäuscht

Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels (SPD), äußerte sich in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Donnerstagsausgaben) enttäuscht. Er sagte, zu den aktuellen Bundeswehrstrukturen und den konkreten Ausrüstungsproblemen enthalte das Weißbuch wenig. Er verteidigte aber in der "Bild"-Zeitung (Donnerstagsausgabe) die Öffnung der Bundeswehr für EU-Bürger.

Die Grünen kritisierten, das Kabinett habe einen "konservativen Rechtsruck in der deutschen Verteidigungspolitik abgenickt". Das Weißbuch folge dem Primat des Militärischen "statt einer klugen Strategie für Sicherheit und Frieden", erklärten der Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter und die sicherheitspolitische Sprecherin Agnieszka Brugger. Die wirklichen Antworten auf Krisen wie Diplomatie, Rüstungskontrolle, Abrüstung und Entwicklungszusammenarbeit fristeten in dem Weißbuch "ein trauriges Schattendasein".

Weißbücher werden in unregelmäßigen Abständen veröffentlicht und sind das wichtigste Grundsatzdokument für die Bundeswehr. Das erste Weißbuch wurde 1969 veröffentlicht.