Oldenburg (epd). "Das sind wir den Patienten und ihren Angehörigen schuldig", sagte der Vorstand des Klinikums, Dirk Tenzer, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Seit Bekanntwerden der Morde vor zwei Jahren werde daran intensiv gearbeitet. "Und wir sind mit der Aufarbeitung noch nicht fertig."
Niels H. hatte von 1999 bis 2002 in Oldenburg gearbeitet und in dieser Zeit laut Tenzer vermutlich 16 Menschen getötet. Anschließend wechselte H. an das Krankenhaus Delmenhorst und mordete dort weiter. In beiden Häusern spritzte der Pfleger Patienten ein für sie lebensbedrohliches Medikament, um bei einer geglückten Reanimation als Held dastehen zu können. Er wurde 2015 wegen mehrfachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt weiter und spricht inzwischen von insgesamt mindestens 33 Morden.
Die Patientensicherheit werde ständig verbessert, unterstrich Tenzer. Umfangreiche Sicherheitssysteme seien eingerichtet worden. Dazu gehöre etwa, dass Medikamenten-Ampullen in unterschiedlichen Farben markiert werden, um Verwechslungen auszuschließen. Wann immer es beinahe zu einem Unfall im Klinikalltag gekommen ist, etwa weil eine Krankenschwester versehentlich fast ein falsches Medikament verabreicht hätte, müsse der Vorfall gemeldet und analysiert werden.
"Whistleblower-System" wichtig
Um Schwachstellen aufzudecken, sei das "Whistleblower-System" eines der wichtigsten Werkzeuge, sagte Tenzer. Wer das Verhalten eines Kollegen merkwürdig finde, könne dies anonym über ein geschütztes Formular im Internet melden. Dabei erhalte der Informant einen Code, über den Nachfragen gestellt und von jedem Computer in der Welt beantwortet werden könnten. "Der Hinweisgeber bleibt anonym, und trotzdem können wichtige Informationen im Pingpong-Verfahren ausgetauscht werden", erklärte Tenzer. Unter den Kliniken in Niedersachsen werde dieses System nur in Oldenburg genutzt.
Für die Mitarbeiter des Klinikums sei es belastend, dass sie immer wieder auf die Morde angesprochen wwrden, sagte Tenzer, der das Klinikum seit 2013 leitet: "Es kann nicht sein, dass die ganze Gesundheitsbranche unter Generalverdacht gestellt wird." Bundesweit arbeiteten rund eine Million Menschen in Krankenhäusern und Pflegeheimen. "Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter setzen sich mit hohem persönlichen Engagement jeden Tag und zu jeder Uhrzeit für ihre Patienten ein und sind sicher nicht alle Mörder", sagte der Klinik-Chef.
Es habe damals Hinweise gegeben, dass H. den Patienten schade. "Doch wurden daraus nicht die richtigen Schlüsse gezogen", sagt Tenzer. Mit dem Wissen von heute sei das falsch gewesen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen gegen damals Verantwortliche wegen des Verdachts auf Totschlag durch Unterlassung. Auf die Frage, ob seiner Einschätzung nach die Verantwortlichen hätten anders handeln müssen, sagte Tenzer: "Das können wir heute noch nicht abschließend beurteilen."