Experte: Ausbeutung in der 24-Stunden-Pflege beenden
Der Sozialethiker Bernhard Emunds hat ein Modell entwickelt, das die Pflegearbeit von osteuropäischen Migrantinnen in deutschen Seniorenhaushalten menschlicher machen soll.
11.07.2016
epd
epd-Gespräch: Markus Jantzer

Frankfurt a.M. (epd). Bernhard Emunds beklagte im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd), dass "die Bundesregierung vor den teilweise skandalösen Arbeits- und Lebensbedingungen die Augen verschließt. Sie tut so, als gäbe es bei dieser Beschäftigung in Privathaushalten keine Probleme", sagte Emunds.

Die sogenannten 24-Stunden-Pflegerinnen, die meist auch in den Senioren-Haushalten wohnen, seien in der Regel an sieben Tagen die Woche im Einsatz. Pausen von zwölf oder mehr Stunden, in der sie nichts für ihre betagten Arbeitgeber tun müssten, seien die Ausnahme. "Von den 100.000 bis 200.000 Polinnen, Bulgarinnen, Rumäninnen und Ungarinnen arbeiten die meisten schwarz oder als Scheinselbstständige", sagte der Leiter des Oswald von Nell-Breuning-Instituts der Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main.

Emunds hat seine Forschungsergebnisse in dem Buch "Damit es Oma gutgeht" veröffentlicht. Darin macht der Theologe und Ökonom der Politik einen detaillierten Vorschlag, wie sie "die Missstände beseitigen oder zumindest deutlich reduzieren kann". Dabei rät er trotz der regelmäßigen Gesetzesverstöße gegen Steuer, Sozial- und Arbeitsrecht von Razzien und Steuerfahndungen in Privathaushalten ab. Statt einer "Regulierung mit der Brechstange" empfiehlt der Frankfurter Sozialethiker eine "Mischstrategie der Regulierung und der Förderung".

Unterstützung und Kontrolle

Aus seiner Sicht bieten sich drei Komponenten an. Erstens solle der Gesetzgeber eine Sonderregelung für die Arbeitszeit der osteuropäischen Pflegekräfte einführen. "Die Arbeitgeber könnten verpflichtet werden, ihren Arbeitnehmern in jeder Woche mindestens 24 Stunden arbeitsfreie Zeit am Stück einzuräumen." Außerdem sollte ein Arbeitnehmer nicht länger als drei Monate durchgehend arbeiten dürfen.

Zweitens schlägt Emunds vor, in der gesetzlichen Pflegeversicherung - nach österreichischem Vorbild - einen Zuschuss von rund 500 Euro pro Monat für Pflegehaushalte einzuführen, in denen eine solche Pflegekraft tätig wird. Dieser Pflegezuschuss sollte aber nur gezahlt werden, wenn die Angehörigen die Angestellte sozialversicherungspflichtig beschäftigen.

Und drittens sollten die deutschen Haushalte verpflichtet werden, einer professionellen Wohlfahrtsorganisation Einblick die häusliche Betreuung zu geben. Dazu gehöre dann mindestens ein monatlicher Besuch in jedem Haushalt: zur Unterstützung, aber auch zur Kontrolle.