Köln (epd). Ein Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sieht vor, dass Ärzte ihren Patienten Cannabis-Blüten und -Extrakte verschreiben können, wenn herkömmliche Schmerzmittel nicht helfen. In der Nacht zum Freitag berät der Bundestag erstmals darüber.
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Die erleichterte Freigabe von sogenannten Cannabinoiden, den Inhaltsstoffen der Hanfpflanze, würde vielen schwerkranken Schmerzpatienten in Deutschland helfen. "Wir begrüßen den Beschluss sehr, da es durch Cannabinoide in Einzelfällen zu beachtenswerten Linderungen kommt", sagt der Geschäftsführer der Deutschen Schmerzgesellschaft, Thomas Isenberg. Bei diesen Patienten wirken herkömmliche Schmerzmittel nicht, sondern ausschließlich Cannabis-Produkte. Dazu gehören vor allem Menschen mit Multipler Sklerose, einer Querschnittslähmung oder Nervenverletzung sowie HIV-Infizierte.
Viele Patienten sind bislang gezwungen, Cannabis illegal zu Hause anzubauen. Sie halten ihren Konsum oft geheim, um nicht als Drogenkonsument dazustehen. Außerdem besteht beim Eigenanbau die Gefahr, dass die Qualität und Sicherheit nicht ausreichend sind. "Stimmt das Parlament dem Gesetzentwurf zu, dann wird damit die illegale private Hanfplantage für Kranke endlich Vergangenheit", so Ebert.
Zwar gibt es nach Behördenangaben schon jetzt rund 780 Patienten, die eine Ausnahmegenehmigung für Cannabis-Blüten und -Extrakte haben. Sie dürfen sich diese legal in einer Apotheke kaufen, müssen sie aber bislang selbst bezahlen. "Es handelt sich dabei in aller Regel um schwerstkranke Patienten, die häufig nicht arbeiten können und deshalb über wenig Geld verfügen", sagt Alexander Ebert von der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Oft ist die Therapie für die Menschen zu teuer und deshalb nicht verfügbar.
Für Kranke war es bislang zudem sehr aufwendig, vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Ausnahmegenehmigung für Cannabisprodukte zu bekommen. "Tritt das Gesetz in Kraft, endet für Hunderte Betroffene auch der Spießrutenlauf durch die Bürokratie", sagt Ebert.
Eine Legalisierung von Cannabis-Produkten würde sich positiv auf die Qualität auswirken, da eine staatliche Cannabis-Agentur eingerichtet würde, die für Anbau und Reinheit des Hanfes zuständig wäre. Vor allem das auf dem Schwarzmarkt erworbene Cannabis sei oft mit anderen Substanzen gestreckt und verunreinigt, argumentieren Befürworter der Legalisierung. Die Patienten müssten dann auch nicht mehr das Risiko übernehmen, sich selbst zu gefährden und den Erfolg ihrer Therapie aufs Spiel zu setzen.
KONTRA
Kritiker argumentieren mit den hohen zusätzlichen Kosten, die durch eine Legalisierung von Cannabis-Produkten auf das Gesundheitswesen und die Beitragszahler zukämen. Bislang sind in der Apotheke erworbene Cannabis-Produkte sehr teuer. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums fallen je nach Bedarf an getrockneten Cannabis-Blüten pro Patient zwischen 540 und 1.800 Euro im Monat an. "Dabei geht man wohl von einer Menge von 30 Gramm im Monat aus, die die Kassen übernehmen würden", erläutert Thomas Isenberg von der Deutschen Schmerzgesellschaft.
Wenn der Gesetzgeber die Legalisierung beschließt, muss erst einmal eine sogenannte Cannabis-Agentur eingerichtet werden, die den Anbau ausschreibt und kontrolliert, um stets dieselbe Qualität zu gewährleisten. Zwar entfällt damit der aufwendige Antrag zur Ausnahmeregelung, doch die Hürde bleibt hoch. Außerdem ist frühestens 2017 mit einer Aussaat zu rechnen, bis dahin muss importiert werden - was wiederum nicht einfach ist: Wie die Fachzeitschrift "Deutsche Apotheker Zeitung" schreibt, ist der Anbau von Cannabis in Europa noch selten.
Klinische Studien, die die Wirksamkeit von Cannabis zu medizinischen Zwecken belegen, fehlen. Doch nur mit diesen Ergebnissen können Ärzte wirklich beurteilen, ob Cannabis eine adäquate Alternative zu Opiaten darstellt. Im Entwurf zum Gesetz von Bundesgesundheitsminister Gröhe ist festgeschrieben, dass sich die Patienten zur Teilnahme an einer Begleiterhebung verpflichten müssen. Nach fünf Jahren sollen die Ergebnisse evaluiert und dem Gemeinsamen Bundesausschuss vorgelegt werden.