Diese erfolgreiche erste Staffel hat RTL bereits wiederholt, nun folgt die zweite, die mit einem Pilotfilm beginnt. Diese neunzig Minuten vereinigen all das, was die Bücher von Bora Dagtekin, der der TV-Serie die beiden Kinoknüller "Fack ju Göhte" folgen ließ, auszeichnet. Er habe "beinahe ein Alleinstellungsmerkmal" unter deutschen Autoren, hieß es 2009 in der Begründung für den Grimme-Preis, denn es gebe nicht viele, "deren Dialoge ähnlich pointiert sind. Davon abgesehen sind die Geschichten der einzelnen Folgen zwar anspielungsreich und witzig, aber trotzdem lebensnah."
Wenn überhaupt möglich, hat Dagtekin diese Merkmale für die zweite Staffel sogar noch zugespitzt. Und noch jemand hat sich gesteigert: War man in der ersten Staffel von der Leistung der bis dahin vor allem durch Teenie-Komödien ("Mädchen, Mädchen", "Knallharte Jungs") aufgefallenen Diana Amft noch angenehm überrascht, konnte sie sich spätestens mit der Fortsetzung als ernstzunehmende Komödiantin etablieren. Wie die Schauspielerin hier mit feinen Nuancen die zuweilen fast boshaft absurden Situationen auf die Spitze treibt, ist schon beachtlich.
Gretchen schwärmt immer noch für Marc
Inhaltlich hat sich die Fortsetzung nicht sonderlich weiter entwickelt, dafür ist die Serie wohl auch zu sehr dem Sitcom-Genre verhaftet: Ärztin Gretchen Haase (Amft) schwärmt immer noch für den schmucken Oberarzt Marc Meier (Florian David Fitz), der aber leider nur sich selbst liebt. Unglücklicher Dritter ist der in Gretchen verliebte Gynäkologe Mehdi Kaan (Kai Schumann). Allerdings hat Dagtekin das Personal schon in Staffel eins um dramaturgisch entscheidende Personen ergänzt (etwa Julia Koschitz als Gretchens ehrgeizige Kollegin Dr. Hassmann). Nun kommen weitere dazu, die das emotionale Durcheinander noch verstärken, allen voran ein schnöseliger Millionär (Steffen Groth). Der hat sich, als Batman verkleidet, beim Maskenball in Gretchen verguckt und überzieht anschließend halb Berlin mit Anzeigen und Plakaten, um sie wiederzufinden: "Batman sucht Cinderella", weil Gretchen beim überstürzten Aufbruch einen goldenen Schuh vergessen hat. Allein dieser Erzählstrang würde anderswo für eine komplette romantische Komödie reichen, zumal die Beziehung schon originell beginnt: Nach einem Fallschirmsprung landet Gretchen auf einem Seegrundstück und kann in letztem Moment einen Betrunkenen vor dem Ertrinken retten. Flugs diagnostiziert sie, dass dieser Alexis von Buren neben der Alkoholsucht noch ein viel schwerwiegenderes Problem hat.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Sinistre Gegenentwürfe zu den romantischen Momenten sind die herrlich bizarren Szenen, in denen Dagtekin munter Blasphemie betreibt oder das Arztseriengenre veräppelt: Gretchens Nebenbuhlerin, Schwester Gabi (Laura Oswald), will vor der erpressten Hochzeit mit Meier rasch noch beichten, aber im Beichtstuhl sitzt ein kleiner Junge mit Darth-Vader-Maske und entsprechend tiefer Stimme, der tief beeindruckt Gabis umfangreichem Sündenregister lauscht; und während einer Darmspiegelung macht der neue Assistenzarzt (Elyas M´Barek) Gretchen ungerührt Avancen. Selbst abgenutzteste Slapstick-Gags funktionieren, weil Dagtekin ihnen einen "Twist" gibt, einen unerwartete Dreh: Ein Handwerker trägt ein langes Rohr durchs Krankenhaus und knallt es, als er sich rumdreht, einer früheren Mitschülerin von Gretchen und Meier an den Kopf. Verblüfft stellen die beiden fest, dass die Frau eine Perücke trägt: Sie hat Leukämie und in Folge der Chemotherapie ihre Haare verloren.
Und dann sind da noch die bösen Dialogzeilen, die Dagtekin Fitz in den Mund gelegt hat; diese Rundumschläge als "politisch nicht korrekt" zu bezeichnen, käme einer unsachgemäßen Beschönigung gleich. Ganz zu schweigen von den vielen kleinen geistreichen Späße am Rande, die "Doctor’s Diary" in der Fortsetzung fast zu einem größeren Vergnügen machen als die erste Staffel.