Herr Cerne, welche Verbrechen verabscheuen Sie am meisten?
Rudi Cerne: Alle, bei denen Kinder die Opfer sind. Wenn wir so etwas in der Sendung haben, geht mir das schon an die Nieren. Kinder sind wehrlos gegen einen erwachsenen Täter, und da gibt es entsetzliche und tragische Fälle.
Wenn Sie so einen Fall in der Sendung haben, packt Sie dann das Jagdfieber?
Cerne: Nein, Jagdfieber ist der falsche Ausdruck, wir unterstützen ja die Ermittlungen der Polizei. Ich bin froh, wenn wir dazu beitragen können, dass ein brutaler Täter gefasst wird. Jeder Erfolg bestärkt uns.
Sie haben in "Aktenzeichen XY" eine Aufklärungsquote von 40 Prozent. Das hört sich erst mal gut an, bedeutet ja aber im Umkehrschluss, dass sechs von zehn Fällen eben nicht geklärt werden können.
Cerne: Sie sehen, es gibt noch viel zu tun. Aber wer weiß, wie es stehen würde, wenn es diese Sendung nicht gäbe. Natürlich kann "XY" nicht alle Fälle lösen, die in der Sendung sind, und so zu denken, wäre auch der falsche Ansatz. Unsere Aufklärungsquote beweist allerdings in erster Linie, dass die Öffentlichkeitsfahndung, wie wir sie betreiben, sehr oft greift. Darauf sind wir stolz. Gerade bei Altfällen, den sogenannten "cold cases", bringt "XY" oft nach Jahrzehnten den Durchbruch.
Welches war Ihr größter Fahndungserfolg, wenn man das mal so nennen will?
Cerne: Ich denke, das war der Mordfall Lolita Brieger, der 2011 dank unserer Sendung geklärt werden konnte. Die junge Frau verschwand 1982 spurlos. Die Kripo Trier appellierte bei "XY" an das Gewissen möglicher Mitwisser und wies darauf hin, dass eine derartige Hilfe verjährt ist. Tatsächlich konnte über den Hinweis eines Mitwissers die Leiche von Lolita Brieger gefunden und der Fall endlich geklärt werden.
"Wir wollen die Öffentlichkeit zur Mithilfe mobilisieren."
Ihrer Sendung wurde immer wieder mal vorgeworfen, reale Verbrechen für Unterhaltungszwecke zu instrumentalisieren. Was sagen Sie dazu?
Cerne: Dazu kann ich nur sagen, dass mit unserer Hilfe schon viele Morde und andere Verbrechen aufgeklärt worden sind. Wir wollen die Öffentlichkeit zur Mithilfe mobilisieren und das geht nun mal nur, wenn wir die Emotionen der Zuschauer wecken. Dabei sind wir so zurückhaltend wie möglich. Davon abgesehen: Viele Fernsehkrimis sind brutaler als "Aktenzeichen XY".
Bedanken sich Opfer oder Angehörige bei Ihnen, wenn dank der Sendung ein Fall gelöst wurde?
Cerne: Ja, das kommt häufig vor. Die Mutter der ermordeten Lolita Brieger zum Beispiel hat uns über den zuständigen Kommissar ihren Dank ausrichten lassen. Sie hat sich dafür bedankt, dass sie jetzt endlich ein Grab hat, an dem sie trauern kann.
Sie moderieren "Aktenzeichen XY… ungelöst" seit 2002. Verfolgt Sie das Verbrechen manchmal bis in den Schlaf?
Cerne: Nein, Gott sei Dank nicht. Ich habe zwar wie jeder andere zuweilen Angstträume, aber da geht es dann eher um Abiturprüfungen, die ich nicht schaffe, oder um den berühmten dreifachen Lutz, der mir bei den Olympischen Spielen einfach nicht gelingen will. Der Leistungssport von früher beschäftigt mich in Träumen mehr als die Verbrechen von heute.
Gucken Sie sich Fernsehkrimis an?
Cerne: Ja, das tue ich, ich würde mich sogar als TV-Junkie bezeichnen. Ich habe früher sehr gerne amerikanische Krimis geschaut, heute dann schon lieber deutsche Sachen wie "SOKO Leipzig" oder "Der Staatsanwalt" und den "Tatort". Dabei halte ich es aber wie mit Büchern auch: Wenn es nicht sofort klick macht und mich das Ganze nach spätestens einer Viertelstunde nicht fesselt, dann schalte ich wieder ab.
Wurden Sie selber schon mal Opfer eines Verbrechens?
Cerne: Ja, als mir 1985 oder 86 in Südfrankreich mein Auto gestohlen wurde. Ich war damals als Eiskunstläufer mit "Holiday on Ice" unterwegs und hatte meinen nagelneuen BMW in Carcassonne geparkt, wo er nachts vom hell erleuchteten Parkplatz geklaut worden ist.
Haben Sie selber schon einmal gegen das Gesetz verstoßen?
Cerne: Nicht dass ich wüsste. Also abgesehen davon, dass ich mal zu schnell gefahren bin und solche Dinge. Einmal war sogar der Führerschein für einen Monat weg. Ansonsten bin ich in der Hinsicht relativ unspektakulär. Ich bin allerdings mal festgenommen worden.
Wie das?
Cerne: Das war im Dezember 1978, als mich die Polizei mit dem damals gesuchten Top-Terroristen Christian Klar verwechselt hat, dem ich in jungen Jahren tatsächlich ähnlich sah. Ich flog nach Düsseldorf, und im Flugzeug glaubte jemand, in mir Christian Klar erkannt zu haben, und das wurde dann per Funk an den Flughafen durchgegeben. Als ich in Düsseldorf aus dem Flugzeug stieg, kamen gleich Polizisten mit vorgehaltener Waffe auf mich zu und haben mich festgenommen. Das war ein verdammt mulmiges Gefühl, kann ich Ihnen sagen. Zum Glück war das Missverständnis schon nach ein paar Minuten aufgeklärt.