Frankfurt a.M. (epd). Die Crispr-Cas9-Methode hat die biomedizinische Forschung in das öffentliche Interesse gerückt. Dabei geht es darum, die DNA, in der das genetische Material und damit das Erbgut von Lebewesen und Viren gespeichert ist, zu zerschneiden, zu zerstören oder gezielt zu verändern. Das Verändern wird "genome editing" genannt, parallel dazu, wie ein Text redaktionell bearbeitet werden kann. Das Verfahren kann bei Pflanzen und Tieren, aber auch beim Menschen angewendet werden. Das ist besonders umstritten, denn es geht um eine dauerhafte Veränderung des menschlichen Genoms und damit um das Erbgut künftiger Generationen.
PRO
Die Crispr-Cas9-Methode gilt als effizient, zeitsparend und kostengünstig. Befürworter einer intensiven Erforschung und späteren Anwendung im menschlichen Erbgut betonen, dass damit Menschen vor schweren Erbkrankheiten bewahrt werden und sogar Krankheiten dauerhaft ausgerottet werden könnten.
Das könnte direkt an den Genen des Menschen geschehen oder indirekt über Tiere: Wenn zum Beispiel die Gene der Anopheles-Mücke, die Malaria überträgt, dauerhaft verändert werden könnten, könnte das das Ende der Malaria bringen. Der Würzburger Biologe Jörg Vogel hält das für möglich. Bei der Jahrestagung des Ethikrats sagte er, es gebe kaum Bereiche in denen Crispr-Cas9 nicht schon ausprobiert worden sei und auch funktioniert hätte.
In der Forschung an Pflanzen, Mikroorganismen und Bakterien gibt es bereits Erfolge, zum Beispiel die Erzeugung einer Hefe zur effektiveren Herstellung von Krebsmedikamenten.
Die Befürworter sehen auch nicht, wieso die Würde eines Menschen verletzt werde, wenn er vor einer schweren Erkrankung bewahrt wird. Es gebe nicht das Recht auf eine angeborene Krankheit, sagte der Medizinrechtler Jochen Taupitz bei der Jahrestagung des Ethikrats. Zudem gab er zu bedenken, dass Crispr-Cas9 gegenüber der Präimplantationsdiagnostik (PID) überlegen sein könnte: Bei der PID werden Embryonen mit schweren Erbfehlern aussortiert. Dieses "Wegwerfen" von Embryonen würde von vornherein verhindert, wenn etwa durch die Gen-Schere Keimzellen so verändert würden, dass der Gen-Defekt von vornherein nicht da ist, sagte Taupitz.
Vogel trat zudem Befürchtungen entgegen, die Veränderungen würden irreversibel in Mensch und Natur eingreifen. Wenn man in der DNA in die eine Richtung austauschen kann, ginge es auch in die andere, sagte er.
KONTRA
Im deutschen Embryonenschutzgesetz sind künstliche Veränderungen der menschlichen Keimbahn grundsätzlich verboten, auch wenn die Anwendung auf Crispr-Cas9 noch umstritten ist. Dahinter steckt der Grundsatzgedanke, dass es nicht möglich sein soll, einen Menschen nach Bausatz zu konstruieren. Crispr-Cas9 weckt Befürchtungen, genau diese "Designermenschen" möglich zu machen.
Der evangelische Ethiker Wolfgang Huber warnt, es gebe eine Grenze zwischen Therapie und Perfektion sowie Leidvermeidung und Glücksvermehrung. Der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) plädiert dafür, zumindest Eingriffe in die menschliche Keimbahn zunächst zu verbieten, Forschung an wirksamen Therapien durch die Gen-Schere aber zu fördern.
Die Gegner einer intensiven Erforschung und späteren Anwendung der Crispr-Cas9-Methode weisen auch darauf hin, dass die genetische Veränderung ohne die Zustimmung des noch nicht geborenen Menschens geschieht. Damit werde dessen Recht auf körperliche Selbstbestimmung und Unversehrtheit sowie die Würde des noch nicht geborenen Menschen verletzt, argumentieren sie.
Nicht absehbar sind auch Auswirkungen auf Natur und Umwelt: So sei zum Beispiel die Veränderung der Anopheles-Mücke ein massiver Eingriff in das Ökosystem, führen Gegner an. Der Ethikratsvorsitzende Peter Dabrock sagte, die Veränderungen durch Crispr-Cas9 griffen dauerhaft in das Ökosystem und die Biodiversität ein. Die Frage sei, ob das verantwortet werden könne.
Der Mediziner Karl Welte, Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, argumentierte zudem, die Gen-Schere könne unbeabsichtigte Mutationen zur Folge haben, da sie häufig nicht nur an der vorgesehenen Stelle verändere. Er plädierte dafür, bereits bestehende Methoden wie die Stammzelltherapie und PID weiter zu nutzen, solange Crispr-Cas9 nicht ausreichend erforscht ist.