Berlin (epd). Unicef sorgt sich um die Lage der Flüchtlingskinder in Deutschland. Geflüchtete Minderjährige lebten über immer längere Zeiträume in einem nicht kindgerechten Umfeld, erklärte das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen in einem am Dienstag in Köln veröffentlichten Bericht. Ihre Rechte auf Schutz, Teilhabe, gesundheitliche Versorgung und Bildung würden oft monatelang nur eingeschränkt oder gar nicht gewahrt.
Schwesig fordert gesetzliche Standards
Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) forderte erneut einheitliche gesetzliche Standards für die Unterbringung. Der Schutz von Frauen und Kindern dürfe nicht vom Zufall abhängen.
Das UN-Kinderhilfswerk kommt in seinem Lagebericht zu dem Schluss, dass sich die Benachteiligung von Flüchtlingskindern seit 2014 nochmals verschärft habe. Anlass zur Sorge gebe vor allem der deutlich verlängerte Aufenthalt in Not- und Erstaufnahmeeinrichtungen. Dort seien die sanitären Bedingungen, die Gesundheitsversorgung sowie Spiel- und Lernangebote häufig unzureichend. Privatsphäre und Rückzugsräume gebe es kaum.
Schutzkonzepte fehlen oft
Vielerorts fehlten Schutzkonzepte und Maßnahmen zur Vorbeugung von Gewalt gegen Frauen und Kinder. Das wird auch vom Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, kritisiert. Er hat mehrfach auf die Gefahr sexueller Übergriffe hingewiesen.
Unicef zufolge hat das Leben in den Notunterkünften auch zur Folge, dass sich die Integration der Kinder in Schulen und Kindergärten verzögert. Dabei geraten besonders die Kinder ins Hintertreffen, deren Eltern keine Bleibeperspektive haben. Sie sind doppelt benachteiligt: gegenüber den Deutschen und gegenüber anderen Flüchtlingen. Der Geschäftsführer von Unicef Deutschland, Christian Schneider, sagte, Flüchtlingskinder bräuchten besonderen Schutz und besondere Fürsorge. "Alle Kinder haben die gleichen Rechte - egal woher sie kommen, welcher Gemeinschaft sie angehören und welchen Aufenthaltsstatus sie haben", sagte er.
Bundesfamilienministerin Schwesig erklärte, sie sei mit den Ländern im Gespräch über einheitliche Schutzstandards. Der Unicef-Bericht sollte für die Union Grund genug sein, einer bundesgesetzlichen Regelung zuzustimmen, sagte die SPD-Politikerin. Bisher gab es dafür bei den Ländern keine Mehrheit. Zuletzt hatte die Bundesregierung bei ihren Beratungen in Meseberg im Mai Schwesigs Forderung aufgegriffen, auf bundesgesetzliche Regelungen zum Schutz von Frauen und Kindern in Flüchtlingsunterkünften hinzuarbeiten.
Mehr Angebote für Kinder geplant
Bisher gibt es nur einzelne Programme, in denen sich auch Unicef engagiert. Darin arbeitet das Kinderhilfswerk mit dem Familienministerium und Wohlfahrtsverbänden zusammen. Für 100 bis 200 Einrichtungen werden Schutzkonzepte für Frauen und Kinder entwickelt, Schulungen des Personals vorangetrieben und Lern- und Spielangebote ausgeweitet.
Das Deutsche Kinderhilfswerk forderte Korrekturen zum Wohle der Flüchtlingskinder im Integrationsgesetz, das gegenwärtig im Bundestag beraten wird. Unabhängig von der Bleibeperspektive müssten alle Kinder in den Kindergarten oder die Schule gehen können. Der Kinderschutzverein "Zartbitter" forderte mehr Schutz vor Gewalt. Die Ausstattung vieler Unterkünfte entspreche nicht den von der EU geforderten Standards für Flüchtlingscamps, erklärte der Verein, der Opfer sexuellen Missbrauchs berät und Präventionsprogramme anbietet.