Duisburg/Düsseldorf (epd). Zur möglichen strafrechtlichen Aufarbeitung der Loveparade-Katastrophe holt die Staatsanwaltschaft Duisburg ein weiteres Sachverständigengutachten ein. Nachdem im April die 5. Große Strafkammer des Landgerichts Duisburg das ursprüngliche zentrale Beweismittel, das Gutachten des britischen Panikforschers Keith Still, als nicht verwertbar eingestuft hatte und damit ein Strafprozess nicht zustande kam, solle nun vorsorglich ein weiterer Sachverständiger beauftragt werden, kündigte die Staatsanwaltschaft am Dienstag in Duisburg an (AZ: 35 KLs 5/14). Der Opferanwalt Julius Reiter begrüßte die Entscheidung.
Gespräche mit Gutachtern
Die Staatsanwaltschaft erklärte, durch das geplante Vorgehen werde sichergestellt, dass der Weg der notwendigen juristischen Aufarbeitung der Tragödie mit 21 Toten in eine öffentlichen Hauptverhandlung so schnell wie möglich beschritten werden könne. Gespräche mit möglichen Gutachtern seien bereits abgeschlossen. Den Verfahrensbeteiligten werde derzeit Gelegenheit zur Stellungnahme hinsichtlich der Auswahl des Gutachters gegeben.
Die Staatsanwaltschaft, die vier Mitarbeitern der Veranstalterfirma Lopavent und sechs Bediensteten der Stadt Duisburg unter anderem fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung vorwirft, hatte im April nach der Nichtzulassung des ersten Gutachtens angekündigt, sofortige Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf einzulegen. Derzeit arbeite sie an der Begründung der Beschwerde, die zeitnah der Generalstaatsanwaltschaft in Düsseldorf zur Vorlage bei Gericht zugestellt werde, teilte die Staatsanwaltschaft nun mit.
Die Erteilung eines Auftrags für ein neues Gutachten steht nach Auffassung der Staatsanwaltschaft dem weiteren Fortgang des Beschwerdeverfahrens nicht entgegen. Der Bochumer Lehrstuhlinhaber für Kriminologie, Kriminalpolitik und Polizeiwissenschaft, Thomas Feltes, sprach hingegen am Dienstag von einem einmaligen Vorgehen. Dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen noch einmal aufnehme und noch einmal in die Beweisaufnahme desselben Verfahrens einsteige, verweise darauf, dass die Staatsanwaltschaft offenbar versuche, Fehler der Vergangenheit auszubügeln, kritisierte er in Bochum.
Hinterbliebene wollen weitere Aufklärung
Opferanwalt Reiter lobte, mit der Entscheidung schaue die Staatsanwaltschaft "konsequent lösungsorientiert nach vorne und versucht damit zu vermeiden, dass weitere Zeit verloren geht für den Fall, dass das Oberlandesgericht den Beschluss des Landgerichts zur Verfahrenseinstellung aufhebt". Die Opfer und Hinterbliebenen der Loveparade-Katastrophe bräuchten dringend weitere Aufklärung. Es wäre bereits Aufgabe der Richter gewesen, ein weiteres Gutachten einzuholen. Ein solches Vorgehen sei im Zwischenverfahren durchaus üblich, erklärte Reiter in Düsseldorf.
Das Landgericht Duisburg hatte im April seine Entscheidung, das Gutachten des britischen Panikforschers Still als zentrales Beweismittel nicht zuzulassen, mit "gravierenden inhaltlichen und methodischen Mängeln" begründet. Unter anderem monierte das Gericht, dass Still sich bei den Unglücksursachen lediglich auf örtliche Begebenheiten beschränkt und andere mögliche Ursachen nicht berücksichtigt habe. Nach Ansicht der Richter kommen als Ursachen nicht nur Planungs- und Genehmigungsfehler, sondern auch spätere Maßnahmen wie Polizeiketten infrage. Die Einholung eines neuen Gutachtens sei im Zwischenverfahren gesetzlich untersagt, hieß es damals. Andere tragfähige Beweismittel lägen nicht vor.
Am 24. Juli 2010 waren bei der Loveparade in Duisburg 21 Menschen bei einer Massenpanik im Tunnel eines ehemaligen Güterbahnhofes ums Leben gekommen, mehr als 500 wurden verletzt.