Berlin (epd). Die geplante Wohnsitzzuteilung bei anerkannten Flüchtlingen stößt bei Experten weiter auf Widerstand. In einer Anhörung am Montag im Bundestag kritisierten Vertreter von Wohlfahrtsverbänden und Anwälten die Regelung, die in den Augen der großen Koalition verhindern soll, dass Flüchtlinge vor allem in Ballungsräume ziehen und sich dort Ghettos bilden. Auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge äußerte sich skeptisch über die Umsetzung der Wohnsitzauflage, auch wenn es die Idee grundsätzlich unterstützt.
Hoher Aufwand bei Behörden und Gerichten
Die Behörde verwies in ihrer schriftlichen Stellungnahme an den Ausschuss für Arbeit und Soziales auf einen "erheblichen Aufwand" bei Behörden und Gerichten, weil private und öffentliche Interessen abgewogen werden müssten. Dabei vermutet das Bundesamt je nach Region Schwierigkeiten: "Während verfügbarer Wohnraum gerade im ländlichen Raum relativ leicht zu gewinnen sein wird, kann sich dies dort für Arbeitsplätze, geeignete schulische Einrichtungen und sonstige Betreuungsangebote und nicht zuletzt für gezielte Integrationsmaßnahmen als eher schwierig erweisen." In städtischen Ballungsräumen sei das Problem vermutlich umgekehrt.
Berthold Münch vom Deutschen Anwaltverein betonte vor den Abgeordneten, die Wohnsitzzuweisung sei nach seiner Einschätzung nicht mit der Genfer Flüchtlingskonvention vereinbar, die auch anerkannten Flüchtlingen Freizügigkeit garantiere. Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit argumentierte mit Verweis auf Erkenntnisse bei Spätaussiedlern, für die ebenfalls eine Wohnsitzauflage galt, solch eine Regelung erschwere zunächst Integration. 60 Prozent der Flüchtlinge fänden Arbeit über Familie und Freunde. Auch die Kirchen argumentierten, die Wohnsitzauflage zerreiße Netzwerke, die bei der Integration Asylsuchender helfen können.
Die Wohnsitzzuteilung ist Teil des Integrationsgesetzes von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), das nach dem Willen der Koalition noch bis zum Beginn der parlamentarischen Sommerpause in knapp drei Wochen vom Bundestag verabschiedet werden soll. Im Kern geht es um mehr Integrationsangebote für Flüchtlinge. Unter anderem ist ein Programm mit 100.000 gemeinnützigen Jobs für Asylsuchende geplant. Auf der anderen Seite sollen Flüchtlinge mit der Kürzung von Leistungen bestraft werden, wenn sie verpflichtende Angebote wie Kurse und Arbeitsmaßnahmen nicht wahrnehmen.
Kritik an geplanten Sanktionen
Die Zielrichtung des "Förderns und Forderns" stieß bei den meisten Sachverständigen auf Zustimmung. Vertreter von Arbeitgebern, Industrie und Bundesagentur für Arbeit begrüßten zudem die vorgesehene Ausweitung der Ausbildungsförderung auf Flüchtlinge sowie die Garantie für ein Bleiberecht für die Dauer einer Ausbildung und bei einem Anschlussvertrag für zwei Jahre darüber hinaus. Petra Zwickert, Migrationsexpertin der Diakonie, kritisierte dagegen, das Gesetz unterstelle mit den geplanten Sanktionen einen Unwillen zur Integration. In der Praxis erlebe man aber hochmotivierte Flüchtlinge, die möglichst schnell die Sprache lernen und arbeiten wollten.