Berlin (epd). Für die Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten wird es am Freitag im Bundesrat aller Voraussicht nach keine Mehrheit geben. Wie am Donnerstag aus Kreisen der Länder in Berlin verlautete, ist bei den Gesprächen zwischen Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) und den Grünen kein Kompromiss in Sicht. Mindestens drei von Grünen mitregierte Flächenländer müssten für das Gesetz stimmen, damit es durchkommt. Dazu wird es wahrscheinlich aber nicht kommen. Offen ist nur noch, ob über das Gesetz dennoch abgestimmt oder der Tagesordnungspunkt vertagt wird.
Bei einer Vertagung hätten beide Seiten Zeit für ihre Verhandlungen gewonnen. Im Gespräch ist eine Protokollerklärung zu dem Gesetz, die Homosexuellen aus Marokko, Tunesien und Algerien besonderen Schutz garantieren soll. Diese drei Länder sollen als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden, um Asylbewerber von dort leichter ablehnen und zurückschicken zu können. Menschenrechtler kritisieren das mit Verweis auf Folter, Verfolgung Homosexueller und mangelnden Schutz vor sexueller Gewalt in diesen Ländern.
Appelle von Organisationen
Gibt es gegen eine Vertagung im Bundesrat Widerstand, bleibt das Gesetz auf der Tagesordnung und es wird abgestimmt. Bei einem Scheitern wird dann aller Voraussicht nach der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat eingeschaltet, um kompromissfähige Änderungen am Gesetzentwurf vorzunehmen.
Thüringens Staatskanzleichef Benjamin Hoff (Linke) sagte am Donnerstag in Erfurt, man werde sich einem Vermittlungsausschussverfahren nicht verschließen. Er erwarte aber, dass es im Gegenzug tatsächlich substanzielle Angebote gebe. Dabei nannte er eine Altfallregelung für die vielen Flüchtlinge, deren Asylanträge schon lange auf Bearbeitung warten.
Organisationen appellierten vor der Bundesratssitzung erneut an die Länder, das Gesetz über sichere Herkunftsstaaten abzulehnen. Es gehe an die Substanz des individuellen Grundrechts auf Asyl, sagte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie. Bei Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten wird prinzipiell vermutet, dass sie keiner Verfolgung ausgesetzt sind.
Diakonie-Präsident: Kein Handlungsbedarf
Der Deutsche Anwaltverein erklärte, das Gesetz würde gegen europäisches Recht sowie gegen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts verstoßen. Rechtsanwältin Gisela Seidler verwies auf die EU-Verfahrensrichtlinie, nach der in den betreffenden Ländern unter anderem keine Folter zu befürchten sein dürfe. Amnesty International argumentierte, das Gesetz hätte gravierende Folgen für viele Asylsuchende aus dieser Region. "Das Recht, Asyl zu suchen, wäre für diese Menschen eingeschränkt", erklärte die Menschenrechtsorganisation.
Diakonie-Präsident Lilie sagte zudem mit Blick auf die drastisch gesunkene Zahl der Asylanträge von Menschen aus diesen Herkunftsländern, es bestehe kein Handlungsbedarf. Ingesamt stellten Marokkaner, Algerier und Tunesier von Januar bis Ende Mai rund 3.200 Asylanträge. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums waren Ende April rund 7.300 der insgesamt 128.000 in Deutschland lebenden Marokkaner, Algerier und Tunesier ausreisepflichtig. Etwa 4.700 von ihnen haben eine Duldung.