Berlin (epd). Bei der Abstimmung über das Gesetz zur Einstufung weiterer sicherer Herkunftsstaaten im Bundesrat bleibt es voraussichtlich bis zuletzt spannend. Einige Bundesländer, deren Votum entscheidend für das Passieren der Regelung ist, wollen erst kurz vor der Sitzung am Freitag über ihr Stimmverhalten entscheiden. Darunter ist das grün-schwarz regierte Baden-Württemberg: Das Kabinett habe ihm und seinem Stellvertreter Thomas Strobl (CDU) "freie Hand" gegeben, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag in Stuttgart.
Damit bleibe noch Zeit zu prüfen, ob den Kriterien des Bundesverfassungsgerichts für so eine Einstufung Genüge getan wird, sagte Kretschmann. Auch in Hessen und Nordrhein-Westfalen gab es bei Kabinettssitzungen noch keine Beschlüsse über das Abstimmungsverhalten.
Die rot-grüne NRW-Landesregierung entscheide erst kurz vor der Bundesratssitzung über ihr Abstimmungsverhalten, teilte Regierungssprecher Thomas Breustedt am Dienstag in Düsseldorf mit. Diese Frage solle in den Vorbereitungstreffen mit den anderen Bundesländern am Donnerstagabend in Berlin weiter beraten werden.
Gespräche mit der Bundesregierung erwartet
Der hessische Regierungssprecher Michael Bußer verwies am Dienstag auf noch anstehende Gespräche mit der Bundesregierung. Die Grünen machten klar, ohne eine Veränderung des vorliegenden Gesetzes werde es keine Zustimmung geben.
Auch in Sachsen-Anhalt hoffen CDU und SPD auf die Gespräche zwischen Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) und den Grünen. Bislang läuft es auch dort wegen der Ablehnung der Grünen auf eine Enthaltung im Bundesrat hinaus, wie Regierungssprecher Matthias Schuppe in Magdeburg sagte. Laut Brandenburgs Regierungssprecher Andreas Beese hat Altmaier Gespräche angeboten, um insbesondere homosexuelle Menschen unter einen besonderen Schutz zu stellen. Auch die Landesregierung in Potsdam ließ ihr Abstimmungsverhalten noch offen.
Niedersachsen will sich mit der Entscheidung ebenfalls noch Zeit lassen. Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Thüringen haben sich dagegen bereits darauf festgelegt, nicht für das Gesetz zu stimmen.
Baden-Württemberg als Zünglein an der Waage
Mit der Regelung sollen nach dem Willen der großen Koalition die nordafrikanischen Staaten Marokko, Algerien und Tunesien als sicher eingestuft werden. Asylbewerber aus diesen Ländern können dann leichter abgelehnt und in ihre Heimat zurückgeschickt werden.
Der Bundestag hat das Gesetz bereits verabschiedet. Ohne Zustimmung des Bundesrats kann es aber nicht inkraft treten. In der Länderkammer müssten dafür mindestens drei von Grünen mitregierte Länder für die Regelung stimmen. Als Zünglein an der Waage gelten Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Hessen, wo jeweils Grüne und CDU im Kabinett vertreten sind. Die Grünen lehnen das Konzept sicherer Herkunftsstaaten ab und machen Zweifel an der Einstufung der Maghreb-Staaten geltend.
Menschenrechtler werfen den drei Ländern Folter, Diskriminierung Homosexueller und mangelnden Schutz vor sexueller Gewalt vor. Das Deutsche Institut für Menschenrechte erklärte am Dienstag in Berlin, es sei grund- und menschenrechtlich nicht haltbar, wenn per Gesetz generell vermutet werde, dass Menschen aus diesen Ländern keine Verfolgung droht.
Altmaier weist Kritik zurück
Kanzleramtschef Altmaier verteidigte dagegen die Regelung. Im ARD-"Morgenmagazin" sagte er, es spreche vieles dafür, dass es beispielsweise in Tunesien keine systematische Unterdrückung von kritischen Demokraten gebe. In diesem Jahr wurden nach Angaben des Bundesinnenministeriums nur 0,2 Prozent der Asylanträge von Tunesiern anerkannt. Für Marokko lag die Gesamtschutzquote bei 2,2 Prozent, für Algerien bei 1,4 Prozent.
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Stephan Mayer (CSU), sagte im Deutschlandfunk, das individuelle Asylrecht bleibe auch für Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten bestehen. "Das Asylrecht wird nicht ausgehöhlt, sondern es kommt insbesondere zu schnelleren Verfahren", sagte der Abgeordnete.